: „Der Osten kann nicht zur ABM-Zone werden“
Ostdeutschland braucht vor allem Investitionen, sagt der Geschäftsführer des Thüringer Städte- und Gemeindebundes, Jürgen Gnauck. Das heißt für ihn: mehr Infrastruktur und ein flexibleres Steuergesetz für die mittelständische Wirtschaft
taz: Herr Gnauck, die ostdeutschen Ministerpräsidenten haben mit dem Kanzler gesprochen. Jetzt will der Bund in die Gemeinden mit hoher Arbeitslosigkeit mehr Geld pumpen. Zufrieden?
Jürgen Gnauck: Der Kompromiss löst leider das Problem nicht. Die Wirtschaft im Osten wächst nicht. Daran ändert sich grundsätzlich auch dann nichts, wenn in strukturschwachen Gebieten Beschäftigung verstärkt öffentlich gefördert wird.
Einige der ostdeutschen Ministerpräsidenten haben gefordert, dass die Kommunen mit dem Geld mehr Arbeit schaffen sollen. Wird demnächst im Osten wieder mehr Laub geharkt?
So viele Harken und Schaufeln haben wir gar nicht, wir wir bräuchten, um die Arbeitslosigkeit im Osten zu senken. Außerdem müssen wir aufpassen, dass wir nicht das zarte Pflänzchen Handwerk zertreten. Jeder Auftrag, den die Kommune staatlich gefördert erledigen lässt, fehlt unseren mittelständischen Betrieben. Zumal das Geld wohl nicht an die Kommunen gehen wird, sondern an die regionalen Jobagenturen, die dann mit den Kommunen zusammenarbeiten sollen. Wir können nicht ganz Ostdeutschland zu einer ABM-Zone machen.
Der Ost-Wirtschaftsexperte Helmut Seitz hat gesagt, dass ABM wichtig seien. Anders würde ein fünfzigjähriger ostdeutscher Langzeitarbeitsloser kaum noch einen Job kriegen können.
Auch ich bin für verstärkte ABM im Osten. Sie haben für die Menschen im Osten eine sehr große Bedeutung. Für viele sind sie die einzige Möglichkeit für ein würdevolles Leben mit Arbeit. Die Kommunen werden sich mit den örtlichen Jobagenturen zusammensetzen und Konzepte entwickeln müssen. Ich hoffe nur, dass das Geld entsprechend flexibel einsetzbar ist. Denn jede Region braucht andere Rezepte, es gibt kein Allheilmittel, das überall einsetzbar ist.
Was würden Sie mit dem Geld gern machen?
Wo es gilt, einen Investoren anzusiedeln, könnten Lohnkostenzuschüsse gezahlt werden. An anderer Stelle braucht ein Betrieb vielleicht besser Ausgebildete. Also sollte Geld für eine Weiterqualifikation da sein. Gleichzeitig aber brauchen wir wirklich ein Konzept für den Osten.
Und wie sollte das aussehen?
Dafür ist die Bundesregierung verantwortlich. Es ist auf jeden Fall nicht hilfreich, wenn sich die Ostexperten in Berlin streiten und die Kommission dann aufgelöst wird. Wir brauchen eine flexiblere Steuergesetzgebung vor allem für Handwerk und Mittelstand. Wir müssen unsere Infrastruktur auf Vordermann bringen. Das Leitmotiv von Hartz IV, also fördern und fordern, ist richtig. Aber so lange es im Osten keine Arbeitsplätze gibt, kann man von den Menschen hier weder Besonderes fordern, noch sie fördern. INTERVIEW: DANIEL SCHULZ