zahl der woche
: Die Welt kauft chinesisch

Der Export chinesischer Waren nach Deutschland boomt

Den Deutschen geht es nicht anders als dem Rest der Welt: Sie kaufen immer mehr chinesisch. Vermutlich merken sie es nicht einmal. In adidas-Schuhen sucht man lange, bis man den Vermerk „made in China“ entdeckt. Bei den Stofftieren für die Kleinen wird auf dem Label oft groß vermerkt: „Design by“ einer deutschen Firma. Was in der Regel jedoch nichts daran ändert, dass die Lieblinge Eingang in die deutsch-chinesische Handelsbilanz finden: Um 27,2 Prozent sind die chinesischen Exporte nach Deutschland im Mai 2003 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.

Sie werden weiter steigen. China ist auf dem Weg zur „globalen Fabrik“, sagt Siemens-Chef Heinrich von Pierer. Dabei hatten sich das viele Firmen wie Siemens einmal ganz anders vorgestellt: Sie investierten seit den 80er-Jahren in der Volksrepublik, um sich einen riesigen neuen Markt zu erschließen. Man träumte von einer Milliarde neuer Kunden. Doch das Konzept ging nur in wenigen Fällen auf. China verfügte über keine kaufkräftige Mittelschicht. Bis heute sind die meisten Bürger der Volksrepublik zu arm, um sich den Kauf von Qualitätsprodukten westlicher Firmen überhaupt leisten zu können.

Die Ernüchterung über diese Erkenntnis aber währte in den westlichen Managementetagen nicht lange. Denn inzwischen hatte man China als Exportbasis entdeckt. Die chinesischen Exporte haben sich seit 1994 bis zur Mitte dieses Jahres von 121,0 auf 365,4 Milliarden Dollar verdreifacht. Der Anstieg ist jedoch im Wesentlichen nicht chinesischen Unternehmen zu verdanken. Stattdessen wurden 65 Prozent aller Exporte aus China in dem genannten Zeitraum von international tätigen Konzernen und ihren Joint-Venture-Partnern getätigt. Deren Investitionen aber sorgen auch dafür, dass die Produkte aus China immer hochwertiger werden und von ihrem Billigimage wegkommen: Nicht nur Turnschuhe und Stofftiere, sondern auch fünfzig Prozent aller Kameras der Welt, dreißig Prozent aller Fernseher und Klimaanlagen und ein Viertel aller Waschmaschinen werden heute in der Volksrepublik gefertigt.

Das schafft viele Neider. Besonders in Südostasien ist man heute über den Abzug von Investoren und Arbeitsplätzen nach China besorgt. Aber auch in Europa, den Vereinigten Staaten und Japan wächst die Kritik am chinesischen Handelsüberschuss. Er belief sich im vergangenen Jahr mit den USA auf 100 Milliarden Dollar und mit der Europäischen Union auf 40 Milliarden Dollar. Allerdings ist diese Kritik schon deshalb heuchlerisch, weil vor allem westliche und japanische Unternehmen an Chinas steigenden Exporten verdienen – und diese nicht ein Ergebnis der Verschlossenheit, sondern der Offenheit des chinesischen Marktes sind. Es sind also nicht unfaire Handelsmethoden, wie man sie vor einigen Jahren Japan und Südkorea vorwerfen konnte, sondern echte Produktivitätsgewinne, die Chinas Exporte in aller Welt billig und beliebt machen.

GEORG BLUME