: Als sich der Hass der Arbeiter auf die Klimaanlagen entlud
KATAJUN AMIRPUR, 38, ist Islamwissenschaftlerin und Publizistin. Sie lebt in Köln, wo sie als Kind eines iranischen Vaters geboren wurde. Zuletzt gab sie das Buch „Der Islam am Wendepunkt“ heraus.
VON KATAJUN AMIRPUR
Meine Erinnerung an die Islamische Revolution sind Klimaanlagen. Es ist vielleicht nicht die spektakulärste, aber doch die, die mir, die ich damals noch sehr klein war, bis heute nachdrücklich im Gedächtnis haften geblieben ist.
Nach der Revolution lebte eine Bekannte meiner Eltern für längere Zeit bei uns in Deutschland. Ihr Mann war Erdölingenieur in Ahwas am Persischen Golf, als die Revolution begann. Sie lebte in einem Riesenhaus und wurde von einem Chauffeur kutschiert. Das Interessanteste für mich war: Da ihr Mann eine sehr hohe Position in der Hierarchie der Erdölangestellten bekleidete, hatten sie in jedem Zimmer ihrer Riesenvilla eine Klimaanlage. Wer einen etwas niedereren Status in dieser Hierarchie bekleidete, hatte nur in ein, zwei Räumen eine Klimaanlage. Und dem einfachen Erdölarbeiter war der Besitz von Klimaanlagen verboten. Klimaanlagen waren also nicht nur ein Statussymbol in dem Sinne, dass sie teuer waren. Sondern auch weil es staatlich geregelt war, wer in den Genuss wie vieler kam.
Nun sind Klimaanlagen nicht das Wichtigste und war die Ungerechtigkeit, die in anderen Bereichen des Lebens zu spüren war, weit frappanter. Andererseits ist es im Sommer in Ahwas so heiß, dass man auf blankem Boden Spiegeleier braten kann. Und dass die Klassenzugehörigkeit im Kaiserreich Iran eine Rolle spielte bis in die Verordnung über die erlaubte Anzahl der Klimaanlagen hinein, war durchaus ein Thema in dieser Revolution, die Gleichheit predigte.
Die Bekannte sagte, selbst sie, die ich immer für einen Snob gehalten hatte, konnte den Hass der Arbeiter auf diese Klimaanlagen, die sie zerstörten, als sie schließlich die Riesenvilla stürmten, nachvollziehen. Auch ihr Ehemann, der Erdölingenieur, hatte für solche Ungerechtigkeit durchaus einen Sinn. Er war eigentlich Kommunist und Anhänger der Tudeh-Partei, die vor der Revolution verboten war und einige Jahre nach ihr erneut verboten wurde.
Für diese Anhängerschaft hatte er in den Sechzigerjahren ein Jahr im Gefängnis verbracht. Später hatte er noch einen toubename, einen Reuebrief, schreiben müssen. Als Vater zweier Kinder hatte er sich notgedrungen zu diesem Schritt entschlossen. Den Brief habe er unter Tränen geschrieben, erzählte mir mein Vater.
Nach der Revolution fiel den Revolutionären irgendwann auch der toubename in die Hände. Sie befahlen dem Ingenieur, einen neuen Reuebrief zu schreiben. Doch er weigerte sich: Wenn es nicht möglich sei, im Iran zu leben, ohne alle paar Jahre einen Reuebrief schreiben zu müssen und seine Überzeugungen zu verraten, dann sei dies eben doch nicht seine Revolution.