: Warnstreik im Winterwetter
Vor der Göttinger Uni-Klinik demonstrierten mehrere hundert Beschäftigte für acht Prozent mehr Lohn und gegen die geplante und zum Teil schon vollzogene Privatisierung ganzer Abteilungen
VON REIMAR PAUL
Mehrere hundert Beschäftigte der Göttinger Uni-Klinik haben dem Schneetreiben und eisigen Wind getrotzt und sich am Mittwochmorgen zum Protest vor dem Haupteingang des Krankenhauses versammelt. Sie beteiligen sich an einem Warnstreik für bessere Bezahlung und demonstrieren gleichzeitig gegen die Privatisierung ganzer Abteilungen. „Das beste Kapital sind gute Mitarbeiter – die gibt es nicht für Hungerlohn“, steht auf einem Transparent, auf einem anderen werden „Keine weiteren Ausgründungen“ gefordert.
„Wir sind gute Leute, wir machen gute Arbeit und haben ein Anrecht auf gute Bezahlung“, ruft Ver.di-Landesleiter Siegfried Sauer ins Mikrofon. Im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes der Länder fordert Ver.di acht Prozent, mindestens aber 200 Euro mehr Gehalt monatlich. Die Besoldungsentwicklung im öffentlichen Dienst liege seit dem Jahr 2000 um sieben Prozent unter dem allgemeinen Lohnanstieg, rechnet Sauer vor. Für marode Banken werde innerhalb weniger Wochen ein Schutzschirm in Höhe von 500 Milliarden Euro aufgespannt. Dagegen stünden sechs Milliarden Euro für angemessene Lohnerhöhungen angeblich nicht zur Verfügung. Dies sei „unwürdig“.
Ver.di und die Klinikleitung stellten gestern im Rahmen einer Notdienstvereinbarung die Patientenversorgung sicher. An einem ersten Warnstreiktag in der vergangenen Woche war ein solches Abkommen nicht zustande gekommen. Der Klinikvorstand hatte deshalb die Teilnahme an den Protesten als „Verweigerung der Arbeitsleistung“ bewertet, Mitarbeitern eine „gravierende Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten“ vorgeworfen und ihnen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gedroht. Für den Göttinger Ver.di-Sekretär Horst Roth ist das ein unakzeptables und undemokratisches Vorgehen. Es sei ein „Versuch, die Beschäftigten des Klinikums zu verunsichern und vor weiteren Beteiligungen abzuhalten“.
Ein Konfliktpunkt an der Göttinger Uni-Klinik ist auch die geplante oder schon vollzogene Privatisierung von Teilen des Krankenhauses. So hatte der Vorstand angekündigt, zunächst den gesamten Gastronomiebereich auszugliedern und die etwa 150 Beschäftigten aus Küche, Mensa und Cafeterien in eine private Gesellschaft zu überführen. „Erst kommen die Ausgründungen, dann die Leiharbeit. Wir sind ein Betrieb und wollen es bleiben“, kommentierte das eine Mitarbeiterin aus der Krankenhausküche.
Ver.di kritisiert, die Betroffenen würden so „aus dem Tarifgefüge des Öffentlichen Dienstes herausgedrängt“ und müssten mit Einkommensverlusten von bis zu 35 Prozent rechnen. Bereits vor zwei Jahren hatte die kürzlich in „Universitätsmedizin“ umbenannte Klinik ein weitreichendes Konsolidierungsprogramm beschlossen, dem nach Ver.di-Berechnungen bis Ende 2009 rund 800 Stellen zum Opfer fallen könnten. Die Göttinger Universitätsklinik ist das größte Krankenhaus im südlichen Niedersachsen und mit rund 6.600 Beschäftigten ein wichtiger Arbeitgeber. Pro Jahr werden dort rund 44.000 Patienten stationär aufgenommen und weitere 100.000 ambulant behandelt.