: Viele Programme, wenig Erfolg
Vier Millionen Menschen sind im Afrika südlich der Sahara bereits an Aids erkrankt – nur ein Bruchteil von ihnen wird derzeit medizinisch behandelt
VON MARTINA SCHWIKOWSKI UND DOMINIC JOHNSON
Alle Bedingungen für eine erfolgreiche Aidsbekämpfung in Afrika sind gegeben. So lautet die Prognose im UN-Aids-Büro von Johannesburg. Doch die Realität sieht anders aus. Afrika hat 10 Prozent der Weltbevölkerung, aber zwei Drittel der HIV-Infizierten: 25 Millionen. Allein 2003 gab es in Afrika südlich der Sahara 3 Millionen Neuinfektionen und 2,2 Millionen Aidstote.
Je länger die Epidemie andauert, desto mehr Menschen sind nicht nur infiziert, sondern krank und auf Medikamente angewiesen. 4 Millionen Aidskranke, die Medikamente brauchen, zählte in ihrem Jahresbericht 2003 die Weltgesundheitsorganisation WHO in Afrika südlich der Sahara. 50.000 davon bekämen Medikamente – knapp über 1 Prozent. Das UN-Programm Accelerating Access Initiative (AAI), eine Partnerschaft von UNO und Pharmaindustrie, zählt anders: 150.000 von 3,9 Millionen auf dem Kontinent würden behandelt, hieß es auf einer Konferenz in Senegals Hauptstadt Dakar Ende März. Das wären aber auch nur 3 Prozent. In Lateinamerika sind es 84.
Für die verheerende Situation Afrikas gibt es keinen einfachen Grund. Die Zeiten, in denen die Pharmaindustrie ihre Aidsmedikamente nur zu Fantasiepreisen absetzte – 10.000 Dollar pro Patient und Jahr oder noch mehr –, sind vorbei. Unter der Drohung, massenweise aus Schwellenländern wie Brasilien und Indien billige Kopien von Markenmedikamenten einzuführen (so genannte Generika), haben Afrikas Regierungen die Preise gedrückt. Pharmakonzerne, Regierungen der Industrieländer, private Stiftungen, der Globale Fonds der UNO – sie alle haben Programme gestartet, um Medikamente zu einem Bruchteil des Ursprungspreises abzugeben. Ende August 2003 wurde schließlich auf der WTO-Tagung im mexikanischen Cancun vereinbart, dass Aidsgenerika von den bestehenden Patentschutzbestimmungen der WTO unter bestimmten Bedingungen ausgenommen werden.
Das sollte eigentlich den Durchbruch zu einer erschwinglichen Behandlung für alle in Afrika bedeuten. Zwischen Anfang 2002 und Anfang 2004 ist der Durchschnittspreis der antiretroviralen Aidsbehandlung in Afrika um 85 Prozent gesunken, auf rund 200 Dollar im Jahr. Am wichtigsten dabei sind Medikamente, die die HIV-Übertragung von Schwangeren auf ungeborene Kinder verhindern. Weltweit werden jährlich 700.000 Babys im Mutterleib oder beim Stillen angesteckt.
Billige Medikamente nützen aber wenig, wenn sie nicht bei den Bedürftigen ankommen. In vielen afrikanischen Ländern kommen nur wenige tausend Menschen in den Genuss billiger oder kostenloser Aidsbehandlung: 2.500 in Ruanda, 100 in Kongo-Brazzaville, 80 in Senegal. „Es fehlt an konstantem Druck der Regierungen, die vorhandenen Behandlungspläne umzusetzen“, sagt Mark Stirling, UN-Aids-Direktor für das östliche und südliche Afrika, in Johannesburg. „Der politische Wille ist da, Geberländer zahlen mehr, und Erfahrungen zeigen, dass Medikamente und Behandlungen helfen.“
Aber gerade in Ländern mit dem größten Aidsproblem brechen die ohnehin schlecht funktionierenden Gesundheitssysteme auch am schnellsten wieder zusammen. Die taz hat die Situation im südlichen Afrika untersucht – die am schlimmsten von Aids betroffene Region der Welt mit einer Infektionsrate von rund 17 Prozent der Erwachsenenbevölkerung (siehe unten). Sämtliche Festlandstaaten der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC), der wichtigsten Partnerorganisation der EU in Afrika, sind überfordert.