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Archiv-Artikel

Die EU-Armee rüstet sich für Bosnien

Anfang kommenden Jahres wird eine EU-Armee die von der Nato geführten SFOR-Truppen in Bosnien und Herzegowina ablösen. Die neue Mission ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik

AUS SARAJEVO ERICH RATHFELDER

Die öffentliche Aufregung in Bosnien und Herzegowina hatte sich gestern noch nicht gelegt, als der EU-Außenpolitiker Javier Solana und der Generalsekretär der Nato, Jaap de Hoop Scheffer, vor die Presse in Sarajevo traten. Denn zu Jahresanfang 2005 soll eine EU-Armee anstelle der von der Nato geleiteten SFOR in Bosnien Dienst tun. Und das alles in Zeiten, in denen die mutmaßlichen Kriegsverbrecher Radovan Karadžić und Ratko Mladić noch nicht gefasst sind. Wird die künftige EU-Armee die Nato-Strukturen ersetzen, und wird sie die Autorität der Nato haben?

Ginge es nach den beiden Spitzendiplomaten Javier Solana und De Hoop Scheffer, dann eindeutig ja. Erstens würde die Nato weiter in Bosnien mit einem eigenen Hauptquartier vertreten sein. Und zweitens würde die neue Militärformation die Suche nach den Kriegsverbrechern fortsetzen. Allerdings trüge dabei die serbische Teilrepublik die größte Verantwortung. Die SFOR habe bisher 22 serbische Kriegsverbrecher festgenommen, die Republika Srpska habe „nicht einmal einen Aufruf dazu gemacht,“ erklärte Solana.

Die wesentlichen Fragen blieben allerdings unbeantwortet. Dass die SFOR bei der Suche nach mutmaßlichen Kriegsverbrechern vorher die serbisch-bosnische lokale Polizei informieren muss, leuchtete keinem Journalisten ein. Dieser Umstand zeigt die Strategie der internationalen Gemeinschaft auf, die möchte, dass die serbischen Behörden ihre Exführer selbst festnehmen. Dass die Nato weiter ein Hauptquartier unterhalten wird, überzeugte ebenfalls nicht. Der Hintergrund ist, dass die USA nicht bereit sind, aus Bosnien abzuziehen und durch die Nato vor Ort präsent bleiben werden.

Die EU-Armee wird etwa 7.000 Soldaten bei der Mission „Althea“ umfassen. Das Oberkommando führt – auf Basis der ständigen EU-Nato-Vereinbarungen („Berlin plus“) – der Vize-Nato-Oberkommandierende für Europa im Hauptquartier der Allianz (Shape) im belgischen Mons. Oberbefehlshaber der EU-Mission ist der deutsche Admiral Rainer Feist, der auch Vize-Nato-Oberbefehlshaber in Europa ist.

Für die Europäische Union ist der Einsatz in Bosnien die bislang größte militärische Aktion. Im März 2003 hatte die EU von der Nato den Einsatz in Mazedonien übernommen, der im Dezember 2003 endete. Die Nato hatte im Juni in Istanbul die Übergabe der SFOR-Mission an die EU beschlossen. Damit kann die EU weitere Schritte unternehmen, um die im Juni 1999 vom Europäischen Rat beschlossene gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik mit glaubwürdigen Einsätzen zu untermauern.

Die EU sollte nach dieser Beschlusslage die Mittel und die Bereitschaft besitzen, unabhängig von der Nato auf internationale Krisen zu reagieren, hieß es. Konkretisiert wurde dieses Ziel vom Europäischen Rat 1999 in Helsinki. Die EU sollte bis 2003 in der Lage sein, zur Durchführung militärischer Operationen Truppen in einer Stärke von 60.000 Personen binnen 60 Tagen für eine mindestens einjährige Mission aufzustellen. Die EU-Militärmission in Bosnien und Herzegowina ist ein weiterer Schritt in diese Richtung.