: Deutsche verdienen offiziell wieder mehr
Lohnstatistik: Arbeitnehmer bekommen im Schnitt 39.000 Euro brutto. Der Osten im Nachteil, Frauen auch
HAMBURG taz ■ Es geht aufwärts in Deutschland – jedenfalls statistisch gesehen. Im vergangenen Jahr stieg das durchschnittliche Gehalt der vollzeitbeschäftigten ArbeitnehmerInnen im produzierenden Gewerbe, in Handel, Banken und Versicherungen im Vergleich zum Vorjahr um mehr als zwei Prozent: auf rund 39.000 Euro. Diese erfreulichen Zahlen veröffentlichte gestern das statistische Bundesamt in Wiesbaden. Nur: Die Statistik hinkt.
Berücksichtigt man die gestiegenen Verbraucherpreise, bleibt tatsächlich ein kleines Plus von einem Prozentpunkt. Doch gibt es in der Republik große Unterschiede. Im Westen stiegen die Bruttojahresverdienste auf 40.098 Euro. Dagegen erhielten Lohnabhängige in den neuen Ländern gerade mal 28.580 Euro, das sind nur 70 Prozent des Westniveaus. Schlecht schneiden auch berufstätige Frauen ab. Vollzeitbeschäftigte im Westen verdienen fast 9.000 Euro weniger als Männer. Im Osten geht es ein wenig emanzipierter zu: Der finanzielle Geschlechterunterschied beträgt 3.000 Euro.
Auf wenig Gegenliebe stoßen solche Durchschnittszahlen bei Gewerkschaftern. Tarifexperte Reinhard Bispinck vom Düsseldorfer Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut erklärt: „Eine Friseurmeisterin in Sachsen erhält pro Stunde 5,59 Euro.“ Und ein Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft Rheinland-Nassaus habe tariflich Anspruch auf 4,68 Euro. Das bringt ihm im Jahr gerade mal 8.000 Euro.
Auch in Branchen mit gültigen Tarifverträgen gibt es ausgesprochene Niedriglöhne. Das betrifft vor allem Dienstleistungsberufe. Diese sind in den Zahlen des Statistischen Bundesamtes aber nur teilweise erfasst.
Auf die unteren Teile der Einkommenspyramide weist auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hin. Danach leben wir in einer 20-40-40-Gesellschaft: 20 Prozent beziehen ein Einkommen, das weit über dem Schnitt liegt, 40 Prozent kreisen um den statistischen Mittelwert, und der „Unterbau“ begnügt sich mit einem Einkommen, das weniger als drei Viertel davon beträgt.
Selbst der nominale Zuwachs der einzelnen Einkommen von 2,4 Prozent heizt die Kaufkraft in Deutschland nicht an. Unterm Strich sank die Summe aller Nettolöhne und -gehälter im vergangenen Jahr nämlich um mehr als fünf Milliarden Euro, teilte die Bundesbank mit. Zu viele Jobs gingen verloren.
Ausgegeben wird das Geld vor allem für die Miete. Über 30 Prozent seines Einkommen gibt der ideale private Haushalt fürs Wohnen aus, knapp 14 Prozent für die Ernährung. Und noch einmal genauso viel für Auto und Freizeit. Heikel für die Volkswirtschaft ist die im internationalen Vergleich große Sparsamkeit der Bundesbürger: 2003 trugen sie 10,8 Prozent ihres Einkommens zur Bank. HERMANNUS PFEIFFER