piwik no script img

Archiv-Artikel

Neuer Präsident, alte Probleme

Auf der ersten Auslandsreise sucht Horst Köhler polnische Sorgen über deutsche Eigentumsansprüche zu entkräften

WARSCHAU taz ■ Auf seiner ersten Auslandsreise versuchte Horst Köhler, die Wellen in Polen wieder zu glätten. „Ich versichere Ihnen, dass es in Deutschland keine ernst zu nehmende Kraft gibt, die die Vermögensforderungen der Vertriebenen unterstützen würde“, sagte der Bundespräsident gestern in Warschau. „Es gibt einen breiten Konsens in Deutschland, die Geschichte nicht umzuschreiben.“

Seit Wochen sorgen die Prozessankündigungen deutscher Vertriebener in Polen für Unruhe. Nun hat auch noch das Bundesamt für Lastenausgleich in Bad Homburg begonnen, die Entschädigungszahlungen an Spätaussiedler zu überprüfen. Wer nicht nachweisen kann, dass er tatsächlich sein Haus oder Grundstück bei der Ausreise verloren hat, muss rund 4.600 Euro an den Bund zurückzahlen.

Da aber zahlreiche Alteigentümer, wie nun erst herauskam, noch immer im polnischen Grundbuch eingetragen sind, gelten sie rein rechtlich auch heute noch als Eigentümer. Für viele Polen scheint damit klar, dass der deutsche Staat sich doch hinter die Forderungen der Düsseldorfer Firma „Preußische Treuhand“ gestellt hat, die Eigentumsansprüche von Vertriebenen einklagen will. Denn die Spätaussiedler würden nun erst recht versuchen, ihr ehemaliges Eigentum zurückzuerhalten– so die Befürchtung.

In dieser Lage zog es Köhler vor, seinen vorbereiteten Redetext liegen zu lassen. Nach dem Gespräch mit Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski war ihm klar geworden, dass die Polen nicht freundliche Worte über Polens künftige Rolle in der EU hören wollten, sondern ganz konkret wissen wollten, ob sie demnächst ihre Häuser und Wohnungen in Schlesien, Pommern, Masuren und Ermland verlassen müssten, weil die Deutschen nun doch noch zurückkämen.

„Ich bedauere die Aktivitäten der Preußischen Treuhand, aber wir sind eine freie Gesellschaft und können dies nicht verbieten“, erklärte er und setzte hinzu, dass er schließlich selbst in Polen geboren sei. „Mein erster Nachbarschaftsbesuch führt mich nach Warschau und Danzig. Ich will damit zeigen, dass mir das Verhältnis zu Polen besonders am Herzen liegt.“

Er stehe voll hinter der „Danziger Erklärung“, in der Exbundespräsident Johannes Rau und Kwaśniewski einen gemeinsamen Weg für den Umgang mit dem Thema „Vertreibung“ aufgezeigt hatten. Es gehe darum, in die Zukunft zu schauen und gemeinsame Antworten auf schwierige Fragen zu finden. Köhler wollte sich nicht explizit vom umstrittenen Projekt des „Zentrums gegen Vertreibungen“ distanzieren. Er verwies aber auf die Initiative von Kulturstaatsministerin Christina Weiss, die sich in den vergangenen Wochen mit den Kultusministern von Tschechien, Ungarn, der Slowakei und Österreich getroffen und ein Alternativprojekt auf den Weg gebracht hatte.

Kwaśniewski sagte, das Thema müsse endgültig abgeschlossen werden. „Alle Versuche, die Geschichte neu zu schreiben, sind unzulässig.“ Wie Köhler wolle auch er nach vorne blicken. Er freue sich, dass der neue Bundespräsident als Erstes nach Polen gereist sei. GABRIELE LESSER