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Archiv-Artikel

Durch-die-Popgeschichte-Hüpfen oder neuer Traditionalismus: Beck im Stadtpark Post für Hansen

Lieber Beck Hansen, tja, ein bisschen langweilig ist es ja schon, seit beinahe einer Dekade für den coolsten und talentiertesten Musiker unter dem Sternenhimmel gehalten zu werden. Wie kommst du eigentlich damit zurecht? Ich meine, da kommt ja nicht mal Steve Malkmus ran!

Angefangen hat alles mit deinem Hit „Loser“. Das war im Kurt-Cobain-Jahr 1994, da warst du gerade mal 24 und es gab da diesen Begriff der „Generation X“. Von der „Generation Golf“ hat damals noch keiner gesprochen. Aber du hast uns allen aus der Seele gesprochen: „I‘m a loser, baby/ so why don‘t you kill me“, das war die ultimative Zeile, wo wir uns doch alle ein bisschen wie Loser vorkamen. Heute ist das ja – zum Glück meistens – anders.

Bei dir hat sich dann ja auch einiges verändert. Du wurdest irgendwann vom schönen Verlierer zum neuen Pop-Chamäleon. So wie David Bowie früher: Jedes Jahr ein neuer Stil, immer ein neues Image. Aber mit einer Konstante: Medienliebling warst du immer. Die Journalisten haben echt einen Narren an dir gefressen. Midnite Vultures, Mutations oder Sea Change – mal ehrlich, Beck, Hitplatten sind das ja nicht gerade. Aber immer mindestens vier von fünf Punkten, alle Achtung! Du hast das aber wohl auch in den Genen. Bei euch Hansens in Kalifornien sind doch alle so genial und verrückt. Dein Vater der Musiker und Produzent, deine Mutter die Warhol-Muse, dein Großvater der berühmte Fluxist. Was für ein Opa: „Er brachte Taschen voll Müll mit – alle Arten von Material, das er für seine Kunstwerke brauchte. Er fand ein altes Schaukelpferd und bot mir fünf Dollar dafür ... Eines Tages kam ich aus der Schule und sah dieses Ding vor dem Haus, irgendwie bekannt und doch wie vom anderen Stern. Er hatte das Pferd über und über mit Zigarettenstummeln beklebt, den Kopf abgenommen und silbern angesprüht.“ Ist doch klar, das aus Dir auch was geworden ist!

Im Laufe der Jahre sind deine Platten ein bisschen sperriger geworden. Anfangs, auf Mellow Gold, reichte ja eine schlecht gestimmte Westerngitarre und ein knarziger HipHop-Beat, das schepperte gewaltig und klang herrlich Lo-Fi. Aber irgendwann hast du dir überlegt, wie die coolsten Bands der letzten 30 Jahre zu klingen – wie alle auf einmal natürlich! Das klang ironisch und auch nach Avantgarde, beinahe wie eine Fluxus-Collage deines Opas.

Es ging halt immer hin und her mit dir und deinen Platten: mal Rock-Rap-Funk wie auf Odelay, dann Funk-Soul-Funk auf Midnite Vultures. Doch diese Party ist jetzt auch vorbei. Auf Sea Change hast du die Melancholie entdeckt, den Ozean der Gefühle. Das verstehen wir sehr gut, gerade hier in Deutschland. Die Zeiten sind ja nicht einfach. Wir müssen alle ein bisschen enger zusammenrücken. Auch du hattest Stress mit deiner Freundin, habe ich gelesen.

Da hilft natürlich nichts so gut wie die alte Country-Klampfe und eine gottverdammte fiddle. „Death Country“ ist deine neue Musik – naja, auf One Foot In The Grave hast du schon mal so etwas probiert und warst ja früher auch als Straßenmusiker unterwegs. Jetzt spielst du also fast wie Hank, Neil oder Johnny. Du kennst dich aus mit der alten Musik Amerikas, du Traditionalist. So könnte es eigentlich die nächsten 50 Jahre weitergehen, auf Dauer ist dieses stressige Durch-die-Popgeschichte-Hüpfen ja auch zu anstrengend.

„The sun don‘t shine even when it‘s day“: So singst du über Verlustängste und ewige Missverständnisse. „Lonesome tears – I can‘t cry them anymore – I can‘t think of what they‘re for“: Hoffentlich wird‘s nicht zu schlimm, denn, hey, es ist endlich mal Sommer, sogar richtig heiß, und eigentlich wollen wir so trauriges Zeugs gerade nicht hören. Naja, du wirst das schon hinbekommen.

Ach ja, was ich schon immer mal fragen wollte: Stimmt es eigentlich, dass du deine erste Single „MTV Makes Me Want To Smoke Crack“ genannt hast? Man liest das immer so – aber gesehen habe ich das Teil noch nicht. Wahrscheinlich ziemlich rar, oder? MARC PESCHKE

mit Bright Eyes: Montag, 19 Uhr, Stadtpark