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Archiv-Artikel

„Der Dopingkampf ist nicht so effektiv, wie er sein könnte“

Für die Dopingfahnder läuft in den Wochen vor den Olympischen Spielen eine entscheidende Phase. Während großer Wettkämpfe lassen sich nur noch wenige Sportler erwischen. taz-Interview mit dem Kölner Biochemiker Wilhelm Schänzer über ständig neue Praktiken und die Versuche der Athleten, diesen aus dem Wege zu gehen

taz: Herr Schänzer, um bei den Olympischen Spielen im August nicht positiv getestet zu werden, müssen die dopingwilligen Sportler in diesen Wochen ihre Einnahme leistungssteigernder Substanzen organisieren. Wie reagieren Sie darauf?

Wilhelm Schänzer: Wir befinden uns in einem Zeitraum, in dem man umfangreiche Kontrollen ansetzen sollte, und tatsächlich wird auch recht viel kontrolliert. Aber viele Athleten trainieren in den verschiedensten Ländern, die Kontrolleure können sie also nicht optimal erreichen.

Folglich droht demjenigen eine geringere Gefahr, der weit weg trainiert, oder aus einer abgelegeneren Region der Welt stammt.

Wie gerade in Afrika oder Asien kontrolliert wird, weiß ich nicht. In Australien und in Europa wird viel gemacht, und auch in den USA ist durch die Bildung einer neuen Anti-Doping-Kommission eine ganz andere Bewegung in den Anti-Doping-Kampf gekommen.

Der Skandal um die Designer-Droge THG, der während des vergangenen Herbstes bekannt wurde, blieb auf die USA beschränkt. Kann man sagen, dass Designer-Steroide ein Problem der reicheren Länder sind, weil die Sportler hier viel verdienen und daher viel bezahlen können?

Das ist eine schwere Frage. Es ist nicht besonders schwer, das Know-How dafür zu erlangen, es handelt sich vielmehr um ein ziemlich verbreitetes Fachwissen. Auch eine geschickte Einzelperson kann so ein Designer-Steroid herstellen. Das kann sich schon lohnen, wenn man zum Beispiel nur sehr wenige Sportler als Kunden hat. Tatsächlich könnten in den USA und ähnlichen Ländern bessere Gewinnaussichten bestehen. Wenn jemand das geschickt macht und sagt, ich bringe damit nur eine Person nach vorne, dann hat er eine sehr gute Chance, nicht erwischt zu werden.

Glauben Sie an die Existenz vieler solcher Doping-Nester wie die amerikanische Gruppe mit dem THG?

Man muss sicher damit rechnen, aber wie viele es sind, das bleibt Spekulation. Deshalb bin ich der Meinung, man muss gerade im Bereich der Steroide etwas tun. Jeder Mensch hat ein Steroidprofil, man müsste zumindest von den Spitzensportlern hier Langzeitprofile erstellen, darin wären dann Veränderungen durch von außen zugeführte Steroide relativ einfach zu erkennen.

Warum wird das nicht einfach getan?

Am Ende fehlt einfach das Geld, und der Dopingkampf ist sicher nicht so effektiv, wie er sein könnte.

In Salt Lake City wurden die Athleten mit neuen Testverfahren überrascht. Ist Ähnliches auch in Athen zu erwarten?

Die Athleten müssen sich darauf einstellen, dass neue Verfahren zum Einsatz kommen. Welche das sind, will man natürlich geheim halten, um Überraschungseffekte zu erzielen.

Woher erhalten Sie Ihre Informationen, welche Substanzen im Umlauf sind, wenn nicht wie im THG-Fall, ein anonymer Hinweis kommt?

Solche Hinweise aus Athletenkreisen sind leider sehr selten, viele Entwicklungen kommen aber von den Pharma-Firmen, und da hat man schon Zugriff. Im Moment gibt es etwa neue Epo-Produkte, die sich in der klinischen Testphase befinden.

Angenommen ein Sportler bekommt jetzt so eine neue Epo-Form in die Finger. Kann er sich ganz sicher sein, nicht erwischt zu werden, weil es noch keine passenden Testverfahren gibt?

Ganz sicher sein kann er nicht. Die Epo-Varianten können schon in den Analysen auffallen. Nur wenn ganz neue Strukturen eingesetzt werden, dann kann man sicher sein, dass das nicht entdeckt wird. Bei Modafinil war das bei der Leichtathletik-WM 2003 der Fall, nur dort waren die Labore eben einen Schritt voraus mit ihren Tests.

Ein neues Thema ist das Gen-Doping, das für hoch gefährlich gehalten wird. In China, wo die Olympischen Spiele 2008 stattfinden, soll intensiv an dieser Möglichkeit zur Leistungssteigerung geforscht werden. Halten Sie es für möglich, dass in Athen schon mit derartigen Methoden gedopte Sportler antreten?

Ich glaube nicht. Alle derartigen Verfahren, die schon am Menschen getestet werden, sind für Sportler nicht geeignet. Es gibt aber Ansätze, wo im Tierexperiment, etwa bei Mäusen, Gen-Transfer gemacht wurde, woraufhin die Mäuse vermehrt Epo produziert haben. Aber das ist ein Tierversuch, bis sowas beim Menschen anwendbar ist, das dauert immer eine Weile. Ganz ausschließen, dass einer so verrückt ist, das anzuwenden, kann man natürlich nicht. Aber mich überrascht hier nichts mehr so richtig.

INTERVIEW: DANIEL THEWELEIT

Der Biochemiker Wilhelm Schänzer, 52, leitet in Köln eines von zwei deutschen Antidoping-Laboren, die für das Internationale Olympische Komitee (IOC) Doping-Kontrollen durchführen