: Mehr als zwei Minuten Schlaf
Auf Fluglärm-Tagung in Bonn wird eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt heftig kritisiert. Auch die Verfasser gestehen ein, dass ihre Forschungsergebnisse nicht repräsentativ sind
von Thomas Spolert
Das Geschäft mit preiswerten Flügen boomt wie nie zuvor. Die Zahl der Starts und Landungen am Köln-Bonner Flughafen erhöhte sich in den Sommermonaten um fünf Prozent. Doch was des einen Freud, ist des anderen Leid: Während die Luftfahrtbranche jubelt, steigt die Lärmbelästigung für Flughafenanwohner – insbesondere in der Nacht.
Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) lud am vergangenen Freitag Wissenschaftler, Fluglärmgegner und Vertreter der Luftfahrtbranche zu einer Fachtagung in das Bonner Umweltministerium. Ihr Diskussionsgegenstand: Eine umstrittene Studie des in Köln-Porz angesiedelten Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Vorbereitung eines neuen Fluglärmgesetzes.
Im März hatte das DLR für Unmut bei Medizinern und Fluglärmgegnern gesorgt. Denn die Studie des Instituts schloss nach fünf Jahren Forschungszeit mit einem überraschenden Ergebnis: Die Schlafzeit der Testpersonen bei Lärm verringere sich im Labor nur um zwei Minuten.
Alexander Samel und Mathias Basner vom DLR stellten in Bonn die aus ihrer Sicht wichtigsten Ergebnisse der experimentellen Schlafstudie vor. Aus den gemessenen Daten leiten die DLR-Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen der Lautstärke eines Fluggeräuschs und dem Aufwachen der Probanden ab. Laut DLR-Forscher Mathias Basner sind die zwei Minuten weniger Schlaf bei den Testpersonen eine nicht signifikante Größe. Ob die Schutzzonen für Flughafenanwohner größer oder kleiner als bisher ausgewiesen werden, sei eine Entscheidung der Politik.
Mehrere Wissenschaftler und Fluglärmgegner übten trotz der erklärenden Worte von Basner weiter Kritik an der DLR-Studie. Der Umweltepidemiologe Eberhard Greiser hält die Studie für nicht repräsentativ, da nur Freiwillige untersucht worden seien. Die Studie sei seiner Ansicht nach eine sehr interessante und aufschlussreiche Grundlagenforschung. „Aber sie sagt nichts über Schlafstörungen“, monierte der Bremer Wissenschafter. Der Berliner Lärmforscher Christian Maschke kritisierte zudem den öffentlichen Umgang mit den Ergebnissen. Die DLR-Studie habe Repräsentativität für sich beansprucht, obwohl sie diese nicht erreicht habe, so Maschke.
Wolfgang Hoffmann von der Lärmschutzgemeinschaft Köln-Bonn kritisierte, dass die untersuchten Personen nur regelmäßigem Lärm ausgesetzt gewesen seien. Dies habe aber mit der tatsächlichen Lärmbelastung der Flughafenanwohner von Köln-Bonn nichts zu tun.
Nach Ansicht des Siegburger Umweltmediziners Arno Lange kann die Studie keine Aussage über die Langzeitwirkungen von Fluglärm machen. Dennoch solle mit den Ergebnissen die deutsche und europäische Gesetzgebung zum Schutz vor Fluglärm beeinflusst werden, monierte Lange.
Rupert Gerzer, Leiter der medizinischen Forschungsabteilung des DLR, räumte schließlich ein, dass die Studie nur etwas über die Effekte des Fluglärms auf gesunde Menschen aussage.
Der VCD zeigte sich zufrieden mit der Veranstaltung. „Erstmals sind alle Bedenken gegenüber der DLR-Studie konzentriert zusammen gekommen“, hebt Helmar Pless gegenüber der taz hervor. Die Luftverkehrslobby habe die Studie nach ihrer Veröffentlichung instrumentalisiert, so der VCD-Verkehrsreferent. Die Fachtagung habe gezeigt, dass die DLR-Studie keinen Anspruch darauf habe, Aussagen über die Gesundheitsschädlichkeit von Fluglärm zu machen. Dafür seien epidemiologische Studien erforderlich, die in Deutschland kaum gefördert würden. „Außerdem ist der 60-Dezibel-Zopf ab“, freut sich Pless. Bisher galt dieser Wert als „Aufweckschwelle“. Die Untersuchung habe aber gezeigt, dass es schon weit unter diesem Wert, nämlich bei 33 Dezibel, Reaktionen von Probanden gäbe.
Mit Blick auf die Gesetzesnovelle kritisiert die stellvertretende VCD-Vorsitzende Monika Ganseforth: „Die vom Bundesumweltministerium vorgeschlagenen Lärmwerte im Entwurf des Fluglärmgesetzes werden den aktuellen Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung nur teilweise gerecht.“ Gesundheitliche Beeinträchtigungen der Anwohner von Flugplätzen könnten nicht ausgeschlossen werden. „Jedes weiter Abschwächen der Lärmgrenzwerte muss deshalb unbedingt verhindert werden“, fordert Ganseforth.