Ihr Kinderlein gehet, so gehet ...

Bittere Vorreiterrolle: Pastorin Fanny Dethloff, Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche, übt scharfe Kritik am Hamburger Umgang mit Kinderflüchtlingen

Es war eine Andacht der besonderen Art: Die Situation der Kinderflüchtlinge in Hamburg war das Thema des sonntäglichen Gottesdienstes in der Luruper Auferstehungskirche, dessen Predigt gestern von der Flüchtlingsbeauftragten der Nordelbischen Kirche Fanny Dethloff gehalten wurde. Doch was in der Predigt noch in biblischen Gleichnissen verklausuliert wurde, wurde von der Pastorin in der öffentlichen Nachbereitung des Gottesdienstes im Klartext angesprochen. Im Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, so Dethloff, begehe Hamburg permanenten „Rechtsbruch“. Die Stadt kenne „kein Pardon und keine Schamgrenze mehr“, kritisierte die kirchliche Flüchtlingsbeauftragte.

Während Kinder in anderen Bundesländern nicht abgeschoben würden, übernehme Hamburg eine „bundesweite Vorreiterrolle, die ziemlich bitter ist“. Die hier übliche Praxis, minderjährige Flüchtlinge willkürlich älter zu schätzen, um sie in andere Bundesländer umverteilen oder gleich abschieben zu können, habe in den vergangenen Jahren zu einer „Illegalisierung und Kriminalisierung“ von Jugendlichen geführt. „Die Zahl der Plätze für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurde in der Hansestadt von 250 auf 25 heruntergefahren“, weiß Dethloff, „von denen auch nur noch die Hälfte besetzt sind.“

Nach Einschätzung der Pastorin befinden sich dadurch aber nicht etwa weniger Kinderflüchtlinge in Hamburg: „Die Jugendlichen werden gezwungen, sich illegal in der Stadt aufzuhalten – ohne Ausbildungschance und ohne Gesundheitsversorgung“, sagt sie. „Da sie keine Möglichkeit haben, ihr Leben legal zu führen, bleibt ihnen nur noch der Weg in die Kriminalität.“

Weil die Jugendlichen keine Möglichkeit hätten, durch legale Beschäftigungsverhältnisse ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, würden sie immer häufiger in den „Enddrogenhandel und die Prostitution“ abgleiten, berichtet der Jurist Dietrich Weigand aus seiner anwaltlichen Praxis. „Die Praxis des Ältermachens, in der Hamburg absoluter Vorreiter ist“, klagt er, „hat keine Rechtsgrundlage.“

Dabei würden sich Mediziner „zu willigen Erfüllungsgehilfen der Ausländerbehörde machen“, so Weigand, ohne dabei namentlichden Chef der Eppendorfer Rechtsmedizin, Klaus Püschel, zu erwähnen, der in Hamburg die Altersschätzungen vorgibt. „Hamburg tut alles“, resümiert Weigand, „um minderjährige Flüchtlinge zu vertreiben und zu vergraulen.“ Marco Carini