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Archiv-Artikel

DAS VERZICHTSANGEBOT DES DAIMLER-VORSTANDS IST VERLOGEN Zeichen von Schwäche

Das ist nobel. Die Vorstandsmitglieder von Daimler wollen ihre Jahresgehälter um einen noch unbekannten Anteil reduzieren. Allerdings nur dann, wenn die Arbeitnehmer im Stammwerk in Sindelfingen bereit sind, gemeinsam auf weitere 300 Millionen Euro an Zulagen zu verzichten. Die offizielle Botschaft: Auch „wir da oben“ üben Verzicht – und bei Daimler gehören doch alle einer großen Familie an, die in Krisenzeiten zusammenhält.

Noch dementieren der Familien- und Vorstandsvorsitzende Jürgen E. Schrempp und seine Kollegen entsprechende Meldungen. Sollten sie aber tatsächlich bereit sein, auf zehn Prozent zu verzichten, werden Schrempp statt wie bislang etwa eine Million Euro pro Monat „nur“ noch 900.000 Euro auf sein Konto überwiesen werden. Macht summa summarum 10 Millionen und 800.000 Euro per annum – statt geschätzte 12 Millionen wie bisher. Zusammengezählt dürfte der „Sparbeitrag“ der Topmanager des Konzerns die Grenze von zehn Millionen Euro pro Jahr nicht überschreiten. Und falls der Aktienkurs steigt – und das ist nach Spar- und Rationalisierungsmaßnahmen fast immer der Fall –, können die Vorstandsmitglieder mit ihren Aktienpaketen die Summe schnell wieder einspielen. Der angebliche Gehaltsverzicht: eine verlogene Aktion. Schrempp etwa bleibt die Nummer fünf unter den Topverdienern in Deutschland. Der Boss kann also die Kreditraten für das neue Herrenhaus auf seiner Rinderfarm in Südafrika auch weiterhin bezahlen.

Dem mutigen Häuslebauer aus der Endmontage wird das nicht so leicht fallen, sollte die werksinterne „Eigenheimzulage“ wegfallen und seine Spät- und Nachtschichtzulagen zusammengestrichen werden. Und für die anderen Beschäftigten werden die Wohnungen in Stuttgart auch nicht billiger, nur weil bei Daimler weniger verdient wird. Der propagierte Gehaltsverzicht des Vorstands zeigt aber auch, dass die Arbeitsniederlegungen nicht ohne Wirkung geblieben sind. Er ist auch ein – verkapptes – Friedensangebot. Und ein Zeichen von Schwäche. Die Arbeitnehmervertreter bei Daimler können deshalb weiter hart verhandeln: im Interesse aller abhängig Beschäftigten in Deutschland.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT