: „Wollen wir Feudalismus?“
Dietmar Hexel vom DGB hält die Kapitaleigner für bisweilen schlecht informiert
taz: Herr Hexel, was spricht für die Mitbestimmung im Aufsichtsrat?
Dietmar Hexel: Die Frage ist, wer entscheidet über die Unternehmensführung? Die deutschen Aufsichtsräte sind über ihre Mitglieder verflochten, die oft Multiaufsichtsräte sind. Wollen wir einen Industriefeudalismus, in dem sich die Manager gegenseitig kontrollieren oder gar bedienen? Oder wollen wir auch gleichberechtigte Teilhabe bei den Unternehmenszielen und eine demokratische Kontrolle?
Was können die Arbeitnehmervertreter denn tun?
Vor allem können sie für bestimmte Dinge eintreten. Arbeitnehmervertreter kommen auch nur in einen Aufsichtsrat, wenn sie entsprechend ausgebildet sind und sich ständig weiterbilden. Das vermisse ich bisweilen auf der Seite der Anteilseigner. Im Übrigen haben wir die Zahl der Aufsichtsratssitze für einen Gewerkschafter auf zwei, maximal drei begrenzt.
Sollen auf der Arbeitnehmerbank Gewerkschafter oder Beschäftigte sitzen?
Wir brauchen beide. Gewerkschafter haben, wie andere Externe, einen breiteren Blick. Sie kennen das Unternehmen, aber auch die Branche, die Region und die Gesamtwirtschaft.
Sehen Sie keine Interessenkonflikte zwischen Gewerkschaft und Aufsichtsratsarbeit?
Selbstverständlich gibt es Interessenkonflikte. Genauso wie bei Bankern, die die Geschäftsbeziehungen ihres Hauses mit dem Unternehmen verbessern wollen – was nicht immer im Interesse des Unternehmens ist.
Ein Problem ist, dass ausländische Beschäftigte derzeit gar kein Wahlrecht haben.
Das ist ein Mangel, der beseitigt werden muss. In einigen Branchen – Chemie und Metall – gibt es dafür Beispiele. Für den Gesetzgeber wäre es relativ einfach möglich, ausländischen Arbeitnehmervertretern ein Wahlrecht zu verschaffen.
Dass die Unternehmen wählen dürfen, ob sie ihre Führung nach dem deutschen oder dem angelsächsischen Modell gestalten, wäre keine Alternative?
Wenn alle Arbeitnehmer abstimmen dürften, wäre ich dafür. In einer Wirtschaftsordnung, in der das Wissen und Können der Mitarbeiter wichtiger wird, brauchen wir mehr Teilhabe und demokratische Kontrolle. Dass sich das Gute immer durchsetzt, halte ich im Kapitalismus für eine gewagte These. Dazu braucht es einen Gesetzesrahmen.
Was würden Sie am Mitbestimmungsgesetz ändern?
Eine Änderung ist für uns nicht aktuell. Aber wenn es sie gäbe, muss es eine echte Parität im Aufsichtsrat geben. Bislang hat die Kapitalbank zum einen den Vorsprung der Vorsitzendenstimme, zum anderen sitzt auf der Arbeitnehmerbank auch der Vertreter der leitenden Angestellten, der in der Regel der Kapitalargumentation zuneigt.
INTERVIEW: BEATE WILLMS