: Zwei ungleiche Schwestern
Umbauprozesse in Betrieben bedeuten Veränderungen für alle und verursachen Ängste bei einigen. Deshalb bieten OrganisationsentwicklerInnen häufig eine begleitende Supervision an. Allmählich akzeptiert auch die Wirtschaft den Nutzen dieser Einrichtung
„Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass alle Beteiligten qualitativ gute Arbeit leisten und sich mit ihrem Unternehmen identifizieren wollen“, sagt Ingrid Kadisch. Wenn die Bremer Organisationsentwicklerin und Supervisorin in einen Betrieb kommt, bedeutet das Unruhe. Engagiert von Unternehmen, aber auch Vereinen oder Organisationen unterstützt sie Prozesse, die Konflikte lösen, Arbeitsabläufe vereinfachen und Entscheidungskompetenzen klären. Kadisch liegt daran, die Organisationsentwicklung um Qualitätsentwicklung zu ergänzen. So werde die Arbeit effizienter und die Zufriedenheit der MitarbeiterInnen steige. „Zur Organisationsentwicklung gehört die MitarbeiterInnenbeteiligung“, betont sie. „Das meint auch, die unterschiedlichen Perspektiven von Männern und Frauen einzubeziehen.“
Auch wenn jeder Umbauprozess anders verlaufe, gebe es klassische Probleme: mangelnde Transparenz und nicht ausreichende Kommunikation – vor allem von oben nach unten. Außerdem würden Betroffene zum Teil ängstlich reagieren und blockieren, gerade wenn sie sich nicht hinreichend einbezogen fühlten. Dann wirbt Kadisch beim Management um Verständnis für die Sorgen der MitarbeiterInnen: Dass die Meisten ihren Job gut machen wollen und nicht aus Übellaunigkeit auf stur schalten. Ein Unternehmen tue gut daran, Widerstände ernst zu nehmen, empfiehlt sie. Auch Wertschätzung für die bisherige Arbeit sei vonnöten. „Es war vorher nicht alles schlecht!“
Parallel macht die Beraterin den Angestellten deutlich, dass es bei einer Umstrukturierung sowohl um verbesserte Arbeitsbedingungen, als auch um das wirtschaftliche Ziel gehe, Gewinn zu machen. Um dem Prozess die emotionale Sprengkraft zu nehmen, sucht die Organisationsentwicklerin ein „gemeinsames Drittes“, das gemeinsame Interesse von Management und Angestellten. Der kleinste gemeinsame Nenner sei die Kundenzufriedenheit.
„Überaus wichtig“ sei eine Supervision, die den Entwicklungsprozess begleitet: „Die Menschen müssen mitgenommen werden.“ Allerdings gebe es auch Organisationsberater, etwa aus der Betriebswirtschaft, denen der Einsatz von Supervision bislang nicht geläufig sei. In solchen Fällen könne viel Frust bei den Beschäftigten entstehen und das Gefühl, dass man sich lieber niemanden von außen in die Firma holt, berichtet Kadisch.
Organisationsentwicklung und begleitende Supervision trennt sie fein säuberlich: Ist ihr Auftrag die Organisationsentwicklung, holt sie KollegInnen für die begleitende Supervision in das Unternehmen. Umgekehrt arbeitet sie als Supervisorin für organisationsentwickelnde KollegInnen. In ihren Gruppen arbeitet die Beraterin sowohl auf zwischenmenschlicher als auch auf Sachebene, vermittelt schon mal am Flipchart Kommunikations-Knowhow.
Außerdem nutzt sie die Supervision als ein Instrument der Nachhaltigkeit: All zu häufig würden Unternehmen viel Geld für Trainings und Seminare etwa zum Thema Zeit- oder Konfliktmanagement ausgeben. Am Ende des Seminars könnten die TeilnehmerInnen aber das Erlernte nicht in ihrem praktischen Alltag umsetzen. „Wenn dann nach Seminarende die Hochglanzbroschüre in der Schublade verschwindet, und alles so weiter geht wie vorher, ist das schade.“ Ulrike Bendrat