Wenn Rentner surfen lernen

Eine Privatschule bringt Leuten, die Computer bisher gemieden haben, den Umgang mit Maus und Software bei. Ein Aspirant im Seniorenkurs trägt Hörgerät und ist 84 Jahre alt

Hugo Freund soll Textabschnitte verschieben und eine Grafik in einen Text einfügen. Es dauert einige Zeit, bis seine Hand mit der Computermaus den Curser an den Textanfang führt, dort wo er hin soll. Kursleiterin Monika Witte lobt den Computerschüler für die gelungene Grafik. Sie muss laut sprechen. Hugo Freund ist 84 Jahre alt, trägt ein Hörgerät und besucht einen Grundlagenkurs für Senioren in der privaten Computerschule Treffpunkt PC in Steglitz.

„Als ich pensioniert wurde, gab es auf meiner Dienststelle noch keine Computer“, erzählt der ehemalige Polizeibeamte. Vor zwei Jahren hatte er sich dann einen gekauft. „Ich wollte nicht ohne Computerkenntnisse ins Grab gehen.“ Das Internet will sich der 84-Jährige nicht mehr antun, aber seine Fotos möchte er gern auf dem Bildschirm betrachten. Mehrere Versuche, die Aufnahmen der Digitalkamera auf den PC zu überspielen, sind bereits fehlgeschlagen. Jetzt braucht er Hilfe von der Computerschule.

„Hugo Freund ist mein ältester Schüler“, erzählt Monika Witte, die Inhaberin von Treffpunkt PC. Doch die Mehrheit ihrer Schüler gehören der Gruppe der „älteren Erwachsenen“ an, die bei ihr mit 40 beginnt. Das sind Menschen, die sich oft jahrelang erfolgreich davor drückten, einen PC zu bedienen. „Kürzlich hat sich eine pensionierte Grundschullehrerin zum Anfängerkurs angemeldet“, erzählt Monika Witte. Als Lehrerin konnte sie ablehnen, Computer im Unterricht einzusetzen. Doch als Rentnerin spürte sie, ohne Internet von vielen Lebensbereichen ausgeschlossen zu sein.

Auch die 59-jährige Uta Pieritz, die als chemisch-biologische Assistentin an der Freien Universität arbeitet, hat bis vor wenigen Monaten einen Computer erfolgreich umgehen können. „Dann kam der neue Chef. Und da ging das nicht mehr.“ Jetzt sollte sie Chemikalien preiswert über das Internet beziehen, E-Mails bearbeiten und Forschungsdaten darstellen. Sie buchte zuerst einen kostenlosen Internet-Einstiegskurs. Der wird von der Initiative „Frauen ans Netz“ mit Unterstützung der Bundesregierung bei fast 500 Bildungsträgern und Frauenvereinen bundesweit angeboten. Drei Stunden sind kostenlos, drei weitere können preiswert gebucht werden. Seit 1999 buchten mehr als 120.000 Frauen und Mädchen solche Kurse.

Nach diesem Einstieg entschied sich Uta Pieritz für den Grundkurs für Textverarbeitung. „Leider habe ich meinen heute erwachsenen Söhnen vermittelt, dass es nicht erstrebenswert sei, mit einem Computer aufzuwachsen. Ich dachte, es sei sinnvoller, Gesellschaftsspiele zu machen als allein vor einem PC zu sitzen.“ Ihre Söhne müssen sich schwer erarbeiten, was ihre Kollegen als Kinder lernten.

Monika Witte begegnet in ihrer Computerschule bei Frauen und älteren Menschen auch dem Phänomen, dass sie zwar mit einem Computer arbeiten, im Grunde aber hilflos seien. Sie haben die Handhabung nicht systematisch gelernt und können nur das, was für den Job unumgänglich ist. Schon wenn sie einen neuen Ordner für ihre Textdateien anlegen wollen, brauchen sie Hilfe. Witte: „Oft höre ich dann, das macht mein Mann oder mein Kind.“

So hat sich auch die 55-jährige Verena Schade über Jahre beholfen. „Ich bin umgeben von Menschen, die das können und immer für mich gemacht haben“, sagt sie. Die Tochter studiert Mathematik, Mann und Sohn sind ebenfalls versiert im Umgang mit dem PC. Jetzt hat sie Grundkenntnisse erworben und ist weniger abhängig. Allerdings: „Wenn jemand die Hardware verändert, dann läuft bei mir nichts mehr.“ MARINA MAI