„Mancher Gipfel, mancher Abgrund“

Der Linzer Michael Klügl soll Albrecht Puhlmann als Intendant der Staatsoper Hannover beerben. In der taz stellt Klügl klar: Österreich ist nicht Sibirien und Kunst kein Pflegefall

taz: Ihr Vorgänger Albrecht Puhlmann hat die Staatsoper Hannover zu einem Zentrum streitbarer Musiktheaterkultur gemacht. Wo setzt der zukünftige Intendant an: beim gekonnt gemachten, aber oft auch langweiligen Mittelmaß der Vor-Pohlmann-Zeit oder beim Wagemut seines Vorgängers?

Michael Klügl: Vielleicht beim gekonnt gemachten Wagemut. Im übrigen halte ich es nicht für nobel, sich über seine Vorgänger zu äußern. Ich denke, jeder wird sein Bestes gegeben haben. Ich habe in Österreich als Intendant sowohl manchen Gipfel erklommen als auch manche Abgründe erblickt.

Nach einer anfänglichen Durststrecke in der Akzeptanz wird Ihre Arbeit heute in Linz sehr geschätzt. Inzwischen wird das Linzer Theater gelegentlich sogar in Deutschland zur Kenntnis genommen. Aber mir scheint, dass man öfter etwas über das zum Theater gehörende Bruckner-Orchester lesen kann als über das Linzer Musiktheater. Stimmt dieser Eindruck?

Auch Sie scheinen dem Vorurteil aufzusitzen, Österreich sei eine Art kulturelles Sibirien. Während man in Deutschland Theater abwickelt, werden in Österreich neue gebaut. Über mangelndes überregionales Interesse kann ich mich nicht beklagen. Der gute Ruf des Linzer Theaters hat immerhin dazu geführt, dass man mich zum Intendanten der Staatsoper Hannover ernannt hat.

Kaum einen Musiktheater-Regisseur Ihres Hauses kennt man bei uns. Das muss nicht Negatives bedeuten, aber: In Hannover haben in den letzten Jahren höchst profilierte und hochkarätige Künstler gearbeitet. Wird man auf diese – ich nenne nur die Namen Konwitschny, Lowery, Perceval – in Zukunft verzichten müssen?

Von wegen unbekannte Regisseure! Stefan Herheim hat im letzten Jahr die Salzburger Festspiele eröffnet, Claus Guth zur gleichen Zeit die Bayreuther Festspiele, Olivier Tambosi hat an der Metropolitan Opera und in Covent Garden inszeniert und Andrea Schwalbach wurde in diesem Jahr in der Opernwelt als Nachwuchsregisseurin des Jahres nominiert.

Die von Ihnen Genannten haben aber doch nur gelegentlich in Linz gearbeitet, können also nur eingeschränkt das Profil Ihres Hauses geprägt haben. Und die Met ist für Regisseure doch nur sehr bedingt eine Referenzadresse.

Herheim, Guth und Tambosi sind aber unbestreitbar international hoch renommierte Regisseure. Aber ich schätze auch sehr Konwitschny & Co, konnte sie allerdings in Linz nicht finanzieren. Man muss das in Relationen sehen. Klar ist: Wenn man nichts investiert, kommt auch meistens nichts heraus.

Es wurde in den letzten Jahren in Hannover programmatisch sehr stark die italienische Schiene gepflegt. Da gab es spektakuläre Verdi-Abende. Werden Sie das Haus programmatisch neu ausrichten? Und wie stehen Sie zu neuen Opern?

Zur ersten Frage: Kunst ist kein Pflegefall. Die Programmatik wird sich an der Kraft des Ensembles orientieren. Zur zweiten Frage: Da gibt es viele gute von Rihm, Trojahn, Glanert, Androsch, Battistelli und anderen.

Interview: Reinald Hanke