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Archiv-Artikel

Scheitern am Malaria-Parasiten

Bis 2015 will die UNO die Tropenkrankheit zurückgedrängt haben. Bislang kaum Fortschritte. Bis zu 500 Millionen Menschen erkranken jedes Jahr aufs Neue

BERLIN taz ■ Als wäre die Lage der sudanesischen Flüchtlinge im Tschad nicht schon dramatisch genug: Mit dem Beginn der Regenzeit breiten sich dort die Mücken aus und eine tödliche Krankheit ist kaum zu stoppen: Malaria. Hilfsorganisationen liefern sich einen Wettlauf mit der Zeit – und kämpfen angesichts knapper Ressourcen und mangelnder Behandlungsmöglichkeiten oft vergebens.

Dabei hatten sich die Vereinten Nationen eigentlich Großes vorgenommen. Die Millenniumserklärung, die die internationale Gemeinschaft im September 2000 angenommen hat, fordert in Entwicklungsziel Nummer sechs: Wie Aids soll auch die Geißel Malaria aufgehalten und in ihrer Verbreitung zurückgedrängt werden.

Doch davon kann noch keine Rede sein: Für 40 Prozent der Weltbevölkerung ist die Tropenkrankheit immer noch eine permanente Gefahr. 300 bis 500 Millionen Menschen erkranken jedes Jahr, über eine Million von ihnen tödlich. Damit habe sich die Zahl der malariabedingten Todesfälle in den vergangenen drei Jahrzehnten verdoppelt, hat das deutsche Medikamenten-Hilfswerk „action medeor“ ermittelt. „Die Hoffnung, die Malaria zu besiegen, ist gescheitert“, sagt Ulrich Bienzle, der Direktor des Berliner Tropeninstituts.

Betroffen sind vor allem Kinder im tropischen Afrika – dort gilt Malaria als wichtigste Ursache der Kindersterblichkeit. Um das Millenniumsziel zu erreichen, hat die Weltgesundheitsorganisation WHO das „Roll Back Malaria“-Programm eingerichtet. Damit will sie die Zahl der Kranken von 2000 bis 2010 halbieren – und setzt zunächst auf Prävention.

Die Infektionskrankheit wird von einem Parasiten ausgelöst, der durch Mückenstiche in der Nacht auf den Menschen übertragen wird. Einen Impfstoff dagegen gibt es nicht. Auch Versuche, die Mücken mit Pestiziden zu beseitigen, sind fehlgeschlagen. Wer sich gegen Malaria schützen will, braucht daher ein mit Insektenschutzmittel imprägniertes Bettnetz. Doch nur drei Prozent der Kinder im tropischen Afrika schlafen unter einem solchen Netz – das stellte die WHO für das Jahr 2000 fest. Damit ist man noch weit entfernt von einer flächendeckenden Prävention.

Daher gilt es, auch die Behandlung mit Medikamenten zu verbessern. Bisher wurden Malaria-Kranke vor allem mit Chloroquin behandelt. Das war billig und lange auch effektiv. Doch mit der Zeit wurden die Malaria-Erreger resistent gegen das Medikament. Heute wirkt Chloroquin kaum noch – trotzdem wird es weiter verabreicht. Dabei gibt es durch eine Neuentwicklung jetzt wieder Hoffnung für den Kampf gegen Malaria: Artemisinin heißt der Wirkstoff, dessen Anwendung eigentlich nur Vorteile verspricht. Als Kombinationspräparat (ACT) könne er in nur drei Tagen die Malaria-Erreger vernichten, heißt es bei der Weltgesundheitsorganisation, die allen betroffenen Ländern die neue Behandlungsmethode empfiehlt.

Das Problem jedoch: Während das alte Chloroquin für 10 Cent pro Behandlung zu haben war, kostet die neue ACT-Behandlung 1,50 Dollar. „Die armen Länder haben oft einfach nicht das Geld, um ihre Behandlungsmethode umzustellen“, erklärt Kattrin Lempp von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. Und noch ein weiterer Umstand könnte das Erreichen des Millenniumsziels gefährden: Artemisinin wird aus einer chinesischen Pflanze gewonnen, die nur im Dezember gepflanzt werden kann.

Nach WHO-Angaben werden bis Ende 2005 mindestens 132 Millionen ACT-Behandlungen benötigt. „Es müssen noch in diesem Jahr große Mengen gepflanzt werden“, fordert Lempp daher, „sonst geht den Ärzten der Wirkstoff aus.“

Etwa 100 bis 200 Millionen Dollar werden laut Ärzte ohne Grenzen zusätzlich gebraucht, um die ACT-Versorgung sicherzustellen. Für Allan Schapira von der WHO ist das die Probe aufs Exempel: „Jetzt wird sich zeigen, ob es die internationale Gemeinschaft ernst meint mit der Malariabekämpfung. Oder ob sie nur auf große Erklärungen setzt.“

NIKOLAI FICHTNER