: Aufgefrischte Erinnerung
Im Hamburger Prozess um die Anschläge vom 11. September sagt Zeugin aus, auf die sich die Anklage stützt. Frau hat den Angeklagten jedoch nie zuvor gesehen
Hamburg taz ■ Der Name des Angeklagten fiel nicht ein einzies Mal. Denn die Zeugin, die gestern im Hamburger Prozess um die Terroranschläge vom 11. September aussagte, gilt zwar als eine der Stützen der Anklage gegen Abdelghani Mzoudi. Den aber hat sie nie zuvor gesehen.
Angela D. dient der Bundesanwaltschaft (BAW) vielmehr zum Beweis, dass die Attentäter schon im Frühjahr 1999 ihren Tatplan gefasst und der spätere Todesflieger Marwan Al Shehhi diesen bei einem Wutanfall sogar vor Fremden ausgeplaudert hatte. Und wenn er von seinen Absichten schon Unbekannten erzählt hat, so die Schlussfolgerung der BAW, dann haben erst recht seine Bekannten davon gewusst – also auch Abdelghani Mzoudi. Vor allem mit dieser Begründung wurde im Februar ein weiterer Bekannter, Mounir El Motassadeq, wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Beihilfe zum 3066fachen Mord zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt.
Angela D. war im Frühjahr 1999 Bibliothekarin im Rechenzentrum der Uni. Dort habe sie regelmäßig Mohammed Atta und Marwan Al Shehhi gesehen, die den Internetzugang benutzt hatten. Eines Tages habe sie einen Wutausbruch Al Shehhis miterlebt: Der habe zunächst wild auf dem Computer geschrieben und sei dann fluchend zu ihr nach vorne gekommen. Dabei habe er auf Amerika und Präsident Clinton geschimpft und ausgerufen, „es wird was passieren“ und „es wird tausende Tote geben“. Angela D. glaubt, dass damals auch der Name des World Trade Centers gefallen sei und dass Al Shehhi gesagt habe, dass er „da rüberfliegt“.
Die Zeugin sagte aber auch, dass sie sich an den Wortlaut nicht eindeutig erinnern könne. Parallel stellte sich gestern heraus, dass sie offenbar im Verlauf der vergangenen beiden Jahre ihre Erinnerungen etwas aufgefrischt hat: So hatte sie im Herbst 2001, nachdem sie im Fernsehen die Attentäter erkannt hatte, ein Gedächtnisprotokoll über den Vorfall in der Bibliothek angefertigt. Das hatte sie bereits im Prozess gegen Motassadeq vorgelesen. Gestern räumte sie ein, die Aufzeichnungen vor diesem Termin etwas nachgebessert und korrigiert zu haben. Auch habe sie beim Verlesen einzelne Details weggelassen. Der damals Vorsitzende Richter habe ihr gesagt, „ich soll vorlesen, was mir wichtig erscheint“. ELKE SPANNER