Gegen Quassel-Justiz

Deutscher Richterbund: Landesjustizministerium soll Staatsanwälten nichts mehr zu sagen haben

BERLIN taz ■ Die Staatsanwaltschaft in Deutschland soll unabhängiger werden. Dies forderte gestern der Deutsche Richterbund (DRB), der auch die Interessen der Staatsanwälte vertritt.

Christoph Frank, stellvertretender Vorsitzender des DRB und Oberstaatsanwalt in Freiburg, begründete den Vorstoß auch mit der Affäre Corinna Werwigk-Hertneck (FDP), die zurückgetretene Justizministerin von Baden-Württemberg. Schon im Mai hat der Richterbund einen Gesetzentwurf beschlossen, der Einzelweisungen der Politik an die Staatsanwaltschaft abschaffen will. Bisher haben die Landesjustizminister das Recht, in jedem Fall, den sie für wichtig halten, den Staatsanwälten vorzuschreiben, ob Anklage zu erheben oder das Verfahren einzustellen ist. Von diesem Weisungsrecht wird zwar selten Gebrauch gemacht, doch sieht Frank „vorauseilenden Gehorsam“ bei den Staatsanwälten. Außerdem schade schon der bloße Anschein einer politischen Einflussnahme dem Ansehen der Staatsanwaltschaft.

Werwigk-Hertneck wurde allerdings keine Weisung, sondern ihre Schwatzhaftigkeit zum Verhängnis. Die Justizministerin hatte ihrem Kabinettskollegen und Parteifreund, Wirtschaftsminister Walter Döring, vorab mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen ihn einleiten wird. Inzwischen wird gegen Werwigk-Hertneck wegen Geheimnisverrats ermittelt. „Die an das ministerielle Weisungsrecht gebundene Berichtspflicht birgt die Gefahr, dass mit den Informationen sachwidrig umgegangen wird“, heißt es nun in einer Erklärung des Richterbundes.

Bisher fordern die Richter allerdings noch keine völlige Abschaffung der Berichtspflicht. Denn ein Minister, der nichts weiß, kann dem Parlament auch nicht Rede und Antwort stehen, und ein Rest parlamentarischer Verantwortung soll eigentlich bestehen bleiben.

Möglicherweise ist das aber noch nicht das letzte Wort des Richterbundes. „Wenn es solche Vorfälle gibt, müssen wir auch über das Ende der Berichtspflicht diskutieren“, so DRB-Vize Frank. Die rechtspolitischen Sprecher von Grünen und FDP, Jerzy Montag und Rainer Funke, haben sich schon in diesem Sinne ausgesprochen.

Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) und Norbert Röttgen von der CDU sehen dagegen keinen Grund für Gesetzesänderungen – schließlich sei Werwigk-Hertneck ja sofort zurückgetreten. CHRISTIAN RATH