: Wahlüberraschung nicht ausgeschlossen
BERLIN taz ■ Nach monatelangen Personalquerelen soll nun wieder Ruhe einkehren bei der IG Metall. Geht alles nach Plan, wird auf dem heute beginnenden Gewerkschaftstag in Frankfurt/Main Jürgen Peters zum neuen IG-Metall-Vorsitzenden und Berthold Huber zu seinem Stellvertreter gewählt. Bertin Eichler wird Hauptkassier, Wolfgang Rhode, Wolf Jürgen Röder, Kirsten Rölke sowie Erwin Vitt sollen die weiteren Plätze im geschäftsführenden Vorstand erhalten.
Doch vor dem Gewerkschaftstag verging kaum ein Tag, an dem es nicht neue Querelen gab. Kampfkandidaturen wurden angekündigt, zuletzt hat der Schweinfurter IG-Metall-Chef Klaus Ernst eine solche nicht ausgeschlossen. Erneut geht es dabei um die Machtverteilung zwischen „Reformern“ und „Traditionalisten“. Im siebenköpfigen Vorstandsgremium hätte der als Reformer geltende Huber eine Mehrheit von fünf zu zwei, weil von den offiziellen Kandidaten nur Rhode als Peters-Mann gilt. Auch wenn Peters Spekulationen über neue Bewerber zurückwies, ist nicht ausgeschlossen, dass es bei der Wahl am Sonntag zu Überraschungen kommt. Über die vier Vorstandskandidaten wird – im Gegensatz zu den anderen Positionen – in einem Wahlgang abgestimmt. Die vier Kandidaten mit den meisten Stimmen sind gewählt.
Probleme hat die IG Metall genug und kann sich weitere Personalquerelen nicht leisten. Da ist der extreme Mitgliederschwund der Gewerkschaft. Allein in den ersten sieben Monaten 2003 traten 87.000 Metaller aus – schon weit mehr als im gesamten vergangenen Jahr (66.000). Als Folge muss die Gewerkschaft die laufenden Budgets um 10 Prozent kürzen. Auf 8,4 Millionen Euro werde sich das Defizit belaufen.
Ein weiterer Problembereich sind die Tarife. Nach dem Streikdesaster im Osten steht im Winter schon die nächste große Verhandlungsrunde an: Die Entgelte der rund 3,5 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektrobranche müssen festgelegt werden. Kaum anzunehmen, dass die Arbeitgeber nach der Ostrunde nicht gestärkt am Verhandlungstisch sitzen werden.
Und: Peters und Huber müssen klären, ob sie bei der Debatte um Gerhard Schröders Agenda 2010 tatsächlich auf einem Tandem sitzen. Huber hatte den Metaller-Protest gegen die Sozialreformen im Frühjahr für gescheitert erklärt und betont, die Sozialgesetzgebung sei Sache der Regierung und der Parteien. Peters dagegen versteht die Gewerkschaft als „außerparlamentarische Opposition“ und kündigte schon einmal an, im Herbst „öffentlichen Druck zu mobilisieren“. THILO KNOTT