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Archiv-Artikel

Kein Fass ohne Boden

Hamburger Juristin sammelt in Deutschland Spenden für Straßenkinder in Brasilien und versucht den Beweis anzutreten, dass Hilfestellungen dieser Art keineswegs sinnlos sind. Jetzt sollen weitere Kinderdörfer gegründet werden

von MAREIKE ADEN

Ivanildo ist elf Jahre alt, hat braune Haare und dunkle Augen. Drei Jahre lang lebte er auf den Straßen von Fortaleza, der Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Ceará , da seine Eltern zu arm waren um ihn und seine Geschwister zu versorgen. Heute wohnt er, gemeinsam mit 45 anderen ehemaligen Straßenkindern zwischen neun und 16 Jahren im Nazareno-Dorf, einem 57 Hektar großen, von tropischen Wäldern umgebenen Grundstück 35 Kilometer außerhalb der Zwei-Millionen-Stadt.

Ivanildo geht dort zur Schule, verbringt seine Freizeit mit Fußball spielen und Malen und bekommt zum ersten Mal in seinem Leben genug zu essen. Das Kinderdorf ist ein Projekt des Vereines „Der kleine Nazareno“, der 1994 von den Brüdern Bernd und Werner Rosemeyer aus Löningen gegründet wurde – zur Unterstützung und Betreuung der Straßenkinder von Fortaleza. Vor acht Jahren zogen die ersten Kinder in das „Nazareno-Dorf“. Ziel des Vereins ist es, sie permanent von der Straße zu holen.

„Wir sind sehr erfolgreich“, sagt Anne Thoma, „unsere Rückfallquote liegt bei 2 Prozent.“ Die 29-jährige Juristin aus Altona absolvierte im vergangenen Jahr ein Praktikum im „Nazareno-Dorf“ und war „sofort überzeugt von dem Projekt und der Arbeit des Vereins“. So wurde sie nicht nur Patin des elfjährigen Ivanildos, sondern leitet auch das Büro für Öffentlichkeitsarbeit der Organisation. Der Karriere als Juristin kehrte sie vorläufig den Rücken zu. Ihre Hauptaufgabe ist nun das Beschaffen von Spenden. „Ohne die geht es einfach nicht.“ Bisher hatte Werner Rosenmeyer Spenden in Deutschland gesammelt. „Aber wir wollen unsere Tätigkeit auf andere Städte ausweiten und Geld für ein weiteres Dorf in Recife sammeln“, erklärt sie ihre Arbeit.

In den vergangenen Monaten hat Anne Thoma Infostände betreut, einen selbst gedrehten Dokumentar-Film im Abaton-Kino gezeigt, ein kostenloses Fußball-Training für Kinder mit den brasilianischen Kickern vom FC St. Pauli und anschließender Tombola organisiert und Gaby Dohm als Schirmherrin gewonnen. Angetrieben wird sie von der „Liebe zu den Kindern und dem unbedingten Willen ihnen zu helfen“. „Aber hundert Prozent zufrieden bin ich noch nicht, es geht schleppend voran“, bedauert die 29-Jährige, die in den Abendstunden jobben muss, um sich zu finanzieren. Die Mehrzahl der großen Firmen hätte bereits Projekte, die sie förderten, und Privatpersonen sei Brasilien „zu weit weg“, um zu helfen. „Viele Menschen glauben, dass die Betreuung von Straßenkindern ein Fass ohne Boden und sinnlos ist“, vermutet sie. „Unsere Arbeit beweist doch das Gegenteil“, so Thoma, die „gerne mehr Patenschaften vermitteln würde“. Wann sie ihr Patenkind Ivanildo wiedersehen wird, steht nicht fest. Zunächst will sie „alle Zeit dazu verwenden, Spenden für die Kinder zu sammeln“.

Infos unter www.nazareno.de oder ☎ 39 19 84 41