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Archiv-Artikel

„Da hilft kein Jammern“

Wenn Liberalisierung, dann mit EU-Standards, fordert die italienische Gewerkschafterin

taz: Frau Fedeli, wie steht die „High Level Group“ der EU zum Auslaufen des Welttextilabkommens?

Valeria Fedeli: Da hilft kein Jammern. Das wissen wir schließlich schon seit Jahren. Wichtig ist, wie wir reagieren, wenn es keine Quoten mehr gibt. Und da sind die entscheidenden Punkte, dass wir einerseits in Europa industriepolitisch agieren müssen und andererseits faire internationale Wettbewerbsregeln fixieren müssen. Wenn da nichts geschieht, wird das Ende der Quoten verheerende Folgen für die Beschäftigten nicht nur in Europa, sondern auch in den Entwicklungsländern haben.

Gibt es eine gemeinsame Position Ihrer Gruppe zur Zukunft des Welttextilmarktes?

Ja, die, dass die EU-Kommission die Branchen Textil-Bekleidung-Leder als strategischen Sektor der Industrie Europas eingestuft hat – als Sektor, der Fähigkeit zur Innovation demonstriert hat. Die vielen dagegen, die uns schon abgeschrieben haben, haben kein Gehör gefunden.

Warum ist das so wichtig?

Weil die EU-Kommission – unterstützt von der High Level Group – daraus den Schluss zieht, dass die Europäische Union und die nationalen Regierungen unsere Branche gezielt unterstützen müssen. Denn es geht hier schließlich um Themen wie Forschung, Weiterbildung, aber auch um die Bedingungen für die auf dem Weltmarkt konkurrierenden Länder. Das betrifft dann auch die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards.

Und die Formulierung solcher international verbindlichen Regeln ist Konsens in der High Level Group?

Da gibt es noch Differenzen zwischen den mittel- und nordeuropäischen Ländern einerseits, den südeuropäischen Staaten – wo Textil und Bekleidung noch nennenswertes Gewicht haben – und den europäischen Gewerkschaften andererseits. Wir verlangen die Zertifizierung der gesamten Produktionskette, so dass für jede Phase der Fertigung festgestellt werden kann, wo und unter welchen Bedingungen sie erfolgt ist. Nur so kann gewährleistet werden, dass soziale Mindeststandards eingehalten werden, Sozialdumping also ausgeschlossen wird. Aber Deutschland, Großbritannien und Nordeuropa lehnen das bislang ab.

Angenommen, die High Level Group erreicht einen Konsens – wäre der auch international durchsetzbar?

Sie hätte auf jeden Fall sehr hohes Gewicht in der WTO, denn sie würde zur offiziellen Position der gesamten EU und ihrer Mitgliedsstaaten.

INTERVIEW: MICHAEL BRAUN