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Archiv-Artikel

Wunder gibt es immer wieder

So schlimm wird Hartz IV in Köln gar nicht werden, versprechen die Agentur für Arbeit und die Stadt. Wegen des Jobbörsen-Modells funktioniere die Hartz-Devise vom „Fördern und fordern“ tatsächlich

VON DIRK ECKERT

Die Kölner Agentur für Arbeit und die Stadtverwaltung haben sich zur Flucht nach vorne entschlossen, um Hartz-IV-Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. „Es geht nicht in erster Linie um die Kürzung sozialer Leistungen“, sagte am Mittwoch Agenturchef Peter Welters, sondern um die „Stärkung der Eigenverantwortung“ und darum, Menschen in Arbeit zu bringen.

Bei einem gemeinsamen Auftritt mit Kölns Sozialdezernentin Marlis Bredehorst und Mitarbeitern von Stadt und Arbeitsagentur vor der Presse lobte Welters die in dieser Hinsicht „erfolgreiche Zusammenarbeit von Stadt und Agentur“. In Köln habe ein Sozialhilfeempfänger eine 60 Prozent höhere Chance, wieder Arbeit zu finden, rechnete er vor. Der Hartz-Grundsatz von „Fördern und fordern“ funktioniere in Köln mit seinen 24 Jobbörsen in den Stadtteilen.

„Das ist das Wunder von Köln“, pflichtete ihm Bredehorst bei. Jeder Zweite, der heute das Jobcenter aufsuche, sei im Schnitt nach einem Jahr nicht mehr dort, rechnete Welters vor. Die Hälfte von ihnen habe Arbeit auf dem ersten oder zweiten Arbeitsmarkt gefunden, die andere Hälfte hätte sich aus verschiedensten Gründen „aus der Leistung abgemeldet“.

Ansonsten bemühten sich die Vertreter von Stadt und Arbeitsagentur, Befürchtungen entgegenzutreten: Manche der heutigen Bestimmungen seien viel rigoroser als die beim neuen Arbeitslosengeld II. Zudem seien erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger künftig kranken- und rentenversichert, dürften mehr Vermögen haben und auch ein angemessenes Auto. Bei der „organisierten Arbeit“, den berüchtigten 1- bis 2-Euro-Jobs, solle die „Arbeitskompetenz“ erhalten bleiben. Arbeitslose Ingenieure sollten deshalb nicht beim Fegen im Park eingesetzt werden, versprach Welters.

Auch was den Zwang zum Umzug in eine billigere Wohnung angeht, versuchten Stadt und Arbeitsagentur die Befürchtungen zu zerstreuen. Zwar seien die festgelegten Mieten sehr niedrig, aber in Köln gebe es keinen Leerstand. „Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als Mieten anzuerkennen, die über den Grenzen liegen“, erklärte Stephan Santelmann, Leiter des Amtes für Soziales und Senioren. Nur wenn jemand 100 Prozent über der Regelmiete liege, bestehe das Amt auf Umzug. „Wir haben nicht vor, diese Praxis zu ändern“, versprach Bredehorst. Wohnungstauschbörsen als Instrument, um billigeren Wohnraum zu finden, schloss Santelmann ausdrücklich aus. Auch Eigentumswohnungen müssten nur verkauft werden, wenn sie über der Regelgröße liegen. „Angemessener Wohnraum ist geschützt“, bekräftigte Santelmann.

Allerdings hat auch die Kölner Forder- und Förderpolitik ihre Grenzen: „Wir erhöhen nicht die Zahl der Arbeitsplätze“, musste Bredehorst einräumen. Sie verglich die Lage mit einem Bus: Es sei besser, wenn jeder mal mitfahren dürfe, als wenn einige dauerhaft an der Haltestelle stünden. In der jetzigen Situation sei „mehr erreichbar“, befand auch Welters. Hartz IV setze dafür die richtigen Anreize mit Freibeträgen für Erwerbstätigkeit, Lohnkostenzuschüssen, aber auch Sanktionen. „Der Zwang zur Arbeit ist für viele wichtig.“

Publizistische Unterstützung kam zur gleichen Zeit vom Kölner Stadt-Anzeiger. „Das Lamento über ‚grausame Effekte‘ der Reform geht an der Realität vorbei“, hieß es dort am Mittwoch in einem Leitartikel. Hartz-IV-Kritikern wurde dort vorgeworfen, „mit den verständlichen Ängsten vieler Menschen vor Arbeitsplatzverlust und sozialem Abstieg Schindluder“ zu treiben.

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