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Archiv-Artikel

Mit dem Gesetz unterm Arm

Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Brigitte „Kreta“ Zypries

Und sie schwörte, die alle sollen sich mal auf was gefasst machen später …

Die Straßen der Stadt sind in tiefe Finsternis gepackt. Da! Ein schwarzer Schatten springt durch die Nacht. Dann erschillt ein helles, trappelndes Fußgeräusch, Schuhe hasten über den Asphalt, hastig. Der Verursacher dessen ist ein Mensch, er ist einer Sache auf der Spur. Sein Atem klopft! Später sitzt jemand in abgedunkelter Kleidung in einer trüben Kneipe. Er hört, was die Gestalten ringsum sagen, und macht sich heimlich Notizen. Dann nach einer ganzen Weile irgendwo anders, ein Mensch in düsterem Äußeren, er tut was. So geht das weiter, bis der Morgen herbei kommt.

Eine müde Frau sitzt im Kabinett des Kanzlers Schröder. Keiner bemerkt sie, sie fällt nicht auf. Kaum einer weiß sie vom Namen her, wahrscheinlich würde niemand sie wiedererkennen, dem man ihr Gesicht vorlegt. Und im Kabinett des Kanzler Schröders sowieso nicht, da weht den Frauen traditionell ein harter Wind entgegen. Der Herr Kanzler genießt Frauen am liebsten schweigend. Im Kabinett dürfen sie nicht ungefragt reden, was ihnen natürlich schwerfällt. Auch draußen, vor den Kameras der Welt, bleiben sie unauffällig. Aber das ist Brigitte Zypries, wie sie tagsüber heißt, nur recht.

Seit langem arbeitet sie für den Kanzler, zuletzt hat der sie dafür als Justizministerin ernannt gehabt. Die Gesetzlosen brechen, die Strauchdiebe in die Schranken nehmen – kein leichter Job! Denn die Verbrecher fragen nicht nach Sonnenschein, und schon steht man im Unterhemd. Aber der Kanzler kann sich auf sie verlassen. Schon 1991 ließ Schröder, wo er noch in Hannover das Sagen hatte, sie in seine Staatskanzlei herbeiholen. 1997 wurde sie in Niedersachsen Staatssekretärin für Frauensachen und so. 1998 ging sie unter Schröder, wo immer für sie Platz war, ins Innenministerium von Bonn und brachte die Bundesverwaltung förmlich ins 21. Jahrhundert. Und im Sommer 2002, als die Elbe überquoll, leitete sie die Hilfsmittel aus nah und fern so super, dass es richtig flutschte. Zur Belohnung wurde sie im Oktober in ihren heutigen Wirkungskreis befördert, von Haus ist sie ja Juristin. Auch Schröder hatte mal Jura gelernt, aber längst alles vergessen, es war ja Jahre her. Da geht es ihm nicht anders als Ihnen in Ihrem Beruf!

Aber warum eigentlich Jura für sie, die Tochter eines kleinen Drogisten in Kassel, die mit Datum vom 16. November 1953 geboren war? Ganz einfach, weil in der Schule zum Beispiel wurde immer nur sie erwischt beim Abschreiben, aber die anderen gingen dauernd leer mit der Strafe aus und kriegten sogar prima Noten. Das war ungerecht! Sie beißte sich die Fingernägel wund und krumm vor Tränen. Und sie schwörte, die alle sollen sich mal auf was gefasst machen später. Darum studierte sie ab 1972 Recht und Gesetz in Gießen und wurde 1980 auch Mitarbeiterin der Universität, wo sie eine Stelle für sich bekam. Na ja.

Später war sie dann mal in Wiesbaden an der Hessischen Staatskanzlei und in Berlin beim Bundesverfassungsgericht, was man so macht. Aber richtig Spaß macht es ihr jetzt, wo sie die ganze Justiz für sich hat! Sie hat sich vorgenommen, die Gerichtsprozesse kürzer zu machen, damit der Richter schneller ein Urteil findet und nach Hause gehen kann, er ist schließlich auch ein Mensch. Kleinverbrecher will sie statt zu Wasser und Brot für ein gemeinnütziges Wochenende im Pflegeheim heranziehen, damit die mal sehen, wie das ist, und nicht nur die Alten und Kranken. Die gehen ja sowieso bald kaputt! Außerdem hat sie vor, alle Banditen zu belauschen, indem man sich über die Telefonleitung anschleicht und eine Wohnung mit Wanzen von den Tapeten her ausstaffiert. In einer Demokratie darf es schließlich keine Geheimnisse geben! Außerdem kennt sie die Gauner, hinterher will es dann immer keiner gewesen sein. Damit ist dann finito! Sie hat deshalb schon die lebenslange Sicherungsverwahrung für Spitzbuben verstärkt. Sie denkt auch an die USA, dass jemand, der zum dritten Mal ein Gesetz und dann erwischt wird, für immer hinter schwedische Gardinen gelangt. Dann die Sache mit der Folter! Noch ist die Folter ja nicht durchgesetzt. Jedenfalls auf dem Papier. Aber da muss man doch drüber reden können, und natürlich immer im Beisammensein eines Arztes!

Brigitte Zypries hat viel zu tun. Deshalb hat die Ministerin auch keine Ehe oder Familie mit Kindern dran, sie kann ihren Beruf nicht vernachlässigen! Abends, wenn sie den Stift hat fallen lassen haben, geht sie zwar nach Hause, lecker Abendbrot essen. Aber hinterher klebt sie sich einen Bart an, verhüllt sich in schwarze Lederanziehsachen, tut sich zwei Tennisbälle in die Hose, nimmt noch eine Pistole und geht heimlich auf Streife. Mit verstellter Stimme spricht sie Leute an und folgt dunklen Elementen in die Unterwelteldorados, um die Ströme des Verbrechens zu studieren. Dann, die Straßen der Stadt sind in tiefe Finsternis gepackt, springt ein schwarzer Schatten …

Und wenn sie doch mal zu Hause die Beine hoch streckt, greift die fleißige Ministerin am liebsten zu einem Buch vom Kommissar Schneider, von wegen zum Lernen! PETER KÖHLER