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: Gespenst in der Geisterbahn

Lafontaine stänkert gegen die SPD. Na und? So neu ist das nun wahrlich nicht. Seit seinem Rücktritt als Finanzminister im März 1999 hat Lafontaine eigentlich nichts anderes getan, als seine Genossen zu ermahnen und zu beschimpfen. Er hat Bücher verfasst, Kolumnen in der Bild geschrieben und sich andeutungsweise bei der PDS beworben. Auch den Rücktritt von Kanzler Schröder forderte er bereits vor einem Monat. Damals hat das niemanden so recht interessiert.

KOMMENTARVON ULRIKE HERRMANN

Plötzlich jedoch fühlt sich die SPD bedroht durch ihren Exparteichef und äußert sich nur noch in „abgestimmten Erklärungen“. Das liegt nicht an Lafontaine, der der SPD bisher ungefähr so gefährlich erschien wie ein Gespenst in der Geisterbahn.

Nein, Deutschland hat sich im letzten Monat verändert: Führungsansprüche hat Lafontaine schon immer vertreten – aber bisher fehlten mögliche Anhänger. Seit den Montagsdemonstrationen gegen die Arbeitsmarktreformen ist das anders.

Jetzt fällt es der SPD leicht, sich den Exparteichef als wahlentscheidenden Parteichef in spe bei der linken Konkurrenz vorzustellen. Denn auch das gehört zur Geschichte des Oskar Lafontaine: Seine Image hatte schon immer viel mit Imagination zu tun. Er wurde stets über- oder unterschätzt. Entweder war er lächerliches Schreckgespenst oder aber eine Art Lord Voldemort des internationalen Finanzwesens.

Diese übersteigerte Fantasie zeigte sich nie besser als bei seinem Rücktritt: Damals stiegen die deutschen Aktienkurse ruckartig um 5,5 Prozent. Schon am nächsten Tag allerdings dümpelte die Börse wieder vor sich hin. Die kurze „Lafontaine-Hausse“ – so hieß sie damals tatsächlich – hatte nur folgenlos gefeiert, dass ein lästiges Symbol verschwunden war.

Denn das war Lafontaines Rolle als Finanzminister: Er stand symbolisch für eine sozialdemokratische Politik der Gerechtigkeit, die faktisch schon im ersten Jahr der Regierung Schröder nicht verwirklicht wurde. Seine Forderungen waren auch damals nur Mahnung, nicht Realität.

Aber was heißt „nur“; immerhin benannte er Konflikte. Seit Lafontaines Rücktritt ist ein eigenartiges Phänomen zu betrachten: Die Wirtschafts- und Sozialpolitik aller Parteien ist kaum zu unterscheiden, während der Widerspruch bei den Bürgern wächst. Dieses Risiko hat Lafontaine früh erkannt, das ist eine Leistung, die man ihm nicht absprechen kann.