: BERLIN - VON KENNERN FÜR KENNER Strand – aber der richtigeWiener Straße – Low Price
Sand spielen: Oststrand
Das Hinterhältige am Paradies ist, dass es nicht existiert – außer man glaubt ganz fest daran und geht es suchen. Berliner Sommerstädter sind da schlauer. Sie haben sich das Paradies einfach selbst in die urbane Alltagswelt geschaufelt. Ein regelrechtes Überparadies, das vor lauter Stadtstränden gar nicht mehr weiß, wo noch überall hin mit all dem Brandenburger Sand.
Während aber Bundespressestrand und Strandbad Mitte glücklicherweise die Politik- und Highsociety-Touristen abfangen, verspricht ein kleines Fleckchen namens Oststrand an der East Side Gallery immer noch allen urbanen Freizeit-Nomaden flüchtiges Sommerglück.
Versteckt hinter den Spuren einer auch hier voranschreitenden Kommerzialisierung (Bar, Video-Djs, Fitnessprogramm am Vormittag, Völkerballturniere) liegt es: natürlich, nicht künstlich aufgeschüttet, unten am Spree-Ufer, auf einem kleinen (mit viel Glück kaputten) Liegestuhl, während ein Spreedampfer Touristen vorbeituckert, der Edelstoff langsam anwärmt und Fernsehturm mit leuchtenden West-Industrie-Denkmalen (Zapf-Umzüge) zu einer utopisch vereinten Stadt-Silhouette verschwimmt. Dort unten, wo der Fluss die DDR von Kreuzberg trennte und, so heißt es, ein Mann bei seinem Fluchtversuch im Fluss ertrank. Dort unten, auf den verwitterten Pfeilern der Brommybrücke, die im Zweiten Weltkrieg einstürzte, dort unten liegt es, irgendwo zwischen hier und jetzt, das kleine Sommerparadies. Bis irgendwann die Sonne wieder aufgeht. Ganz bestimmt. SL
Mühlenstraße 24–26, hinter der East Side Gallery, S-Bahn Ostbahnhof oder S- und U-Bahn Warschauer Straße, Mo–So, 10 – open end, www.oststrand.de
Wiener Straße:Folks Küche
Die Wiener Straße in SO36 verändert sich behutsam, wie das in Kreuzberg halt so ist. Und ja auch richtig ist. Hier mal ein neuer Thai, da eine neue Bedienung im „Marx“. Nun aber findet sich ein echtes Experiment. Es nennt sich „Folks Küche“. Ein Imbiss, bayerische und schwäbische Küche, dazu Allgäuer Bier. Drinnen zwei Tische, draußen etwa vier. Das Unternehmen operiert mit Preisen, die Hartz IV Rechnung tragen. Preise, die beim testenden Publikum auf Begeisterung, aber auch auf Skepsis stoßen. Allgäuer Büble-Bier (0,5l) für 1,50 Euro? Käsespätzle für 3,30 Euro? Bayerischer Wurstsalat in Senfsoße für 2,50 Euro?
Ist das ein konsequentes Low-Price-Experiment oder hat sich das junge Unternehmen verkalkuliert? Abzuraten ist auf jeden Fall davon, beim Chef zu insistieren, er möge gefälligst die Bierpreise der schräg gegenüberliegenden „Morena-Bar“ angleichen. Abzuraten ist auch davon, sich ohne Ende zu betrinken – es gibt kein Klo. Aber könnte das nicht eine nette erste Station für einen längeren Ausgehabend werden? Draußen sitzen, das erste Bier, Kleinigkeit essen, vielleicht noch ein bisschen nachwürzen. Aber nicht zu spät kommen; um zehn ist schon zu.
Folks Küche, Wiener Straße, 12 bis 22 Uhr, U 1, 15 Görlitzer Bahnhof, Bus 129