: Kinderschutz per Postkarte
Hamburg will nach Vorbild Schleswig-Holsteins ein verbindliches Einladewesen für Kinderarzt-Termine einführen. Das Landesfamilienbüro in Neumünster soll auch Hamburger Eltern anschreiben und mahnen
Knapp ein Jahr ist es her, da führte Schleswig-Holstein ein „verbindliches Einladewesen“ für Kinderarzt-Termine ein. Jetzt will Hamburg das Modell übernehmen und verhandelt mit dem Nachbarland über die Nutzung des dafür geschaffenen Rechenzentrums beim Landesfamilienbüro in Neumünster.
Das Verfahren ist einfach. Die Krankenkasse zahlt für kleine Kinder bis zum fünften Lebensjahr neun Vorsorge-Untersuchungen, die so genannten U1 bis U9. In Schleswig-Holstein erhalten Eltern ab der U4, die zwischen dem dritten und vierten Lebensmonat ansteht, vom Landesfamilienbüro eine Einladung, die auch eine Karte mit einem verschlüsselten Code einhält. Beim Kinderarzt geben Eltern die Karte ab, der diese wiederum an das Familienbüro schickt. Passiert dies nicht, erfolgt bald darauf eine zweite Einladung. Reagieren die Eltern wieder nicht, wird das Jugendamt informiert.
„Seit dem Start im April 2008 wurden 143.000 Einladungen für die U4 bis U9 verschickt“, sagt Dietrich Hensel vom Landesfamilienbüro. „In circa 9.000 Fällen ist an die Jugendämter eine Meldung ergangen.“ Die machen dann Hausbesuche und klären, was vorliegt. Häufig, so Hensel, kämen noch verspätet Postkarten an. Dann würden die Daten der Eltern gelöscht. Sinn der Sache ist, frühzeitig vernachlässigte Kindern zu entdecken.
In Hamburg hatte bereits vor drei Jahren ein Sonderausschuss diese verbindlichen Arzttermine gefordert. Gestern nun stellten die Fraktionen von Grünen und CDU einen entsprechenden Antrag, der mit dem zuständigen Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) abgestimmt war. „Wir wollen das Modell Schleswig-Holstein übernehmen und uns der Dienste des Rechenzentrums in Neumünster bedienen“, sagt CDU-Gesundheitspolitiker Harald Krüger. Er erwarte, dass die Maßnahme noch 2009 beginne.
Anders als in Schleswig-Holstein soll es in Hamburg aber nur Postkarten für die U6 (10. bis 12. Monat) und U7 (21. bis 24. Monat) geben. Da es außerdem aufgrund einer Hamburger Bundesratsinitiative jetzt für Dreijährige die neue U7a gibt, wollen CDU und Grüne einen bislang in Hamburg vorgesehenen Gesundheits-Check in der Kita einsparen. Grund für die SPD, von einem „schwarzen Tag für den Kinderschutz“ zu sprechen.
Die Grünen Politikerin Christiane Blömeke verteidigt das Vorgehen: „Die Kita-Untersuchung und die U7a liegen zeitgleich. Eine Doppeluntersuchung können wir uns nicht leisten“. Und da ältere Kinder mit viereinhalb und sechs Jahren an Schulen untersucht werden, hält Schwarz-Grün auch die verbindliche Einladung zur U8 und U9 nicht für erforderlich. Der Antrag sei eine gute Grundlage, „um die Qualität zu verbessern, ohne unnötige Bürokratie und Doppeluntersuchungen zu schaffen“, sagte Senator Wersich.
Derweil zieht der Kinderärzte-Verband für Schleswig-Holstein (www.kinderaerzte-im-netz.de) eine erste positive Bilanz. „Wir mussten mehr Zeit für die U’s einplanen“, sagt der Vorsitzende Dehtleff Banthien. Da die Einladungen mehrsprachig verfasst sind, nähmen auch Familien mit Migrationshintergrund häufiger teil. „Und auch an Familien, in denen die Termine aus Mangel an Sorgfalt übersehen wurden, kommen wir jetzt besser heran“. Die Befürchtung, die Atmosphäre beim Kinderarztbesuch würde beeinträchtigt, habe sich nicht bestätigt. KAIJA KUTTER