: Bei den Förderkindern 30 Prozent sparen
Mehr als hundert Klagen von Eltern liegen auf dem Tisch des Verwaltungsgerichtes: Die Sozialbehörde hat in großem Umfang Anträge zur Förderung von Kindern in den Kitas abgelehnt. Oftmals ohne sich die Kinder genauer anzusehen
Bremen taz ■ Ende August wird der Jugendhilfe-Ausschuss einen Bericht des Amts für Soziale Dienste zur Kenntnis nehmen, in dem der Stand der Dinge bei den „Integrativen Hilfen in Tageseinrichtungen für Kinder“ berichtet wird. Alles im Lot, könnte man den Bericht zusammenfassen, die Zahlen im Kita-Jahr 2004/2005 werden in etwa denen von 2003/2004 entsprechen. Kein Wort verliert der Bericht darüber, dass mehr als 100 Eltern Klage eingereicht haben gegen die Sozialbehörde, weil ihre Kinder nicht die Förderung bekommen sollen, die sie und die Kitas für erforderlich halten. In den letzten Wochen vor den Sommerferien sind die Ablehnungen in der Post gewesen. Im September will das Verwaltungsgericht eine Anhörung durchführen, um dann über die Klagen im Eilverfahren zu entscheiden.
„Integrative Hilfen“ sind Sonder-Hilfen für förderbedürftige Kinder, die in Bremen in die normalen Kita-Gruppen integriert werden sollen. Wenn eine Kita-Kraft auf 20 Kinder in der Gruppe kommt, sind aber besondere Förderungen nicht möglich – dafür werden eben weitere Stunden gebraucht. Förderbedarf Stufe Eins bringt 5,3 zusätzliche Stunden, Stufe zwei bedeutet 7,9 Stunden, Stufe drei bedeutet 12,5 Stunden pro Woche, in denen eine Bewegungstherapeutin, eine Sprecherzieherin, eine Physiotherapeutin oder einfach eine zweite Erzieherin in die Gruppe kommt, um sich im kleinen Kreis mit den förderbedürftigen Kindern zu befassen.
Das Budget für diese Integrationshilfen ist aber zusammengestrichen worden, vor diesem Hintergrund verstehen die Einrichtungen die vielen Ablehnungen des Amtes. Wobei die Amtsärzte sich in manchen Fällen die Kinder gar nicht genauer angesehen haben, keinen Kontakt mit den Kinderärzten haben und auch die Erzieherinnen nicht fragen – Ablehnungen „per ordre de mufti“ seien das gewesen, schimpfen Kita-Vertreterinnen.
Ilse Wehrmann, die Vorsitzende des Landesverbandes der Evangelischen Kitas, hat mit den Folgen zu tun. Bei 149 Kindern in Evangelischen Kitas sei in diesem Jahr der beantragte Förderbedarf nicht anerkannt worden, sagt sie. Wenn die Gerichte das durchgehen ließen, dann müsste die Kirche an die 50 Kräfte entlassen – zum großen Teil besonders engagierte und qualifizierte Kindergärtnerinnen mit Zusatzausbildung für Integrationsarbeit. Die gehen dann zum Arbeitsamt. Gleichzeitig will die Sozialbehörde arbeitslose Menschen ohne Erzieher-Qualifikation über eine Fortbildung als „Zweitkräfte“ schicken. „Das ist doch grotesk“, sagt Wehrmann. Und setzt darauf, dass das Verwaltungsgericht die Sozialpolitik der Sozialbehörde korrigiert.
Frank Pietrzok, Sozialpolitiker der SPD, hat einen ganz anderen Vorschlag. Die Fördergruppe I, sagt er, die etwa 60 Prozent der Förderfälle ausmacht, sollte ganz gestrichen werden; mit dem Geld könnte man die Regelausstattung der Kitas so verstärken, dass kleinerer Förderbedarf mit abgedeckt werden kann – ohne Anträge und Begutachtungen. „Wenn wir dann unsere qualifizierten Kräfte für die Regelausstattung weiter beschäftigen können, ist das gut“, sagt Wehrmann. Wenn die Sozialbehörde aber plant, die nicht-qualifizierten Zweitkräfte für die Integrationsarbeit im Kindergarten einzusetzen, dann, so Wehrmann, müsse man sich „fragen, ob Kitas unter diesen Umständen noch die Verantwortung für die Förderkinder übernehmen können“.
Klaus Wolschner