: Naturschutz steht immer noch hintenan
Beim zehnten Naturschutztag des Nabu Berlin ziehen die Experten vom Naturschutzbund eine kritische Bilanz. Es fehle weiterhin an Unterstützung aus der Politik. Erfolgreiche Schutzprogramme wie das für den Biber seien zu selten
Wildfleisch gab es nicht beim Mittagsbuffet des zehnten Naturschutztages. „Schließlich weiß man nicht, ob das Tier, das man verzehrt, mit Bleimunition geschossen wurde und sich Reste davon im Fleisch befinden“, erklärte Torsten Hausschild, Vorstandsvorsitzender des Nabu-Landesverbandes Berlin. Bleimunition sei daher nicht nur für Tiere gefährlich und müsse verboten werden, forderte er.
Bleimunition verbieten
Vorige Woche war das letzte Berliner Seeadlerpärchen an Bleivergiftung gestorben. Es hatte von Jägern zurückgelassene Tiere gefressen, die mit bleihaltigen Teilmantelgeschossen erlegt und nicht gefunden worden waren. Hausschild: „Im Sinne von Mensch und Tier besteht akuter Handlungsbedarf in Form von gesetzlichen Regelungen.“
Das blieb nicht die einzige Forderung des Nabu Berlin an diesem Tag, der unter der Überschrift „Erfolgsgeschichten und Ausblicke“ stand. Nach anfänglichen Lobliedern der Senatorin für Umweltschutz, Ingeborg Junge-Reyer (SPD), auf die Zusammenarbeit des Landes mit dem Nabu folgte vonseiten der Naturschützer vor allem Kritik. In ihrer Bilanz der letzten zehn Jahre zeigte Anja Sorges, Landesgeschäftsführerin des Nabu, wesentlich mehr offene Baustellen als abgeschlossene Erfolgsprojekte auf. Neben unzureichender finanzieller Unterstützung fehle es vor allem an Einsatz seitens der Politik. „Der Naturschutz steht nach wie vor hintenan. Es fehlen Ansprechpartner in der Politik. Deswegen geht vieles mehr als nur schleppend voran.“
Beim Punkt Artenschutz zeigte sich Sorges zwar erfreut über das erfolgreiche Schutzprogramm für den Biber, verwies aber gleichzeitig darauf, dass 44 Prozent des Berliner Gesamtartenbestandes auf der Liste gefährdeter Tier- und Pflanzenarten stehen. Der Grund sei, dass es zu lange dauere, bis neue Schutzgebiete ausgewiesen würden. Als Beispiel nannte Sorges das ehemalige Militärgelände des Biesenhorster Sands.
Schutz vor Bauplänen
Zudem kritisierte die Nabu-Geschäftsführerin den Umgang mit Freiflächen, die entgegen den naturschutzgebundenen Forderungen zu oft aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus als Siedlungs- und Verkehrsflächen genutzt würden. „Wertvolle Naturräume wie das Feuchtgebiet um die Moorlinse in Pankow müssen vor Bauplänen geschützt werden“, so Sorges. Auch in Tempelhof und Tegel dürfe die ökologische Bedeutung der Freiflächen nicht vernachlässigt werden. Ein weiterer Kritikpunkt der Naturschützerin war, dass ihrer Ansicht nach ehrenamtlichen Tätigkeit nur unzureichend gewürdigt wird.
Die Position der Senatsverwaltung verteidigte Michael Gödde, Referatsleiter für Landschaftsplanung und Naturschutz. „In Berlin ist in Sachen Naturschutz viel passiert“, lobte er. Es seien viele Gelder etwa für das Tempelhofer Feld geflossen. Gödde betonte, die Zusammenarbeit von ehrenamtlichem und amtlichem Naturschutz habe stets gut funktioniert. Man sei sich aber bewusst, dass weiterhin gemeinsames Nachdenken und vor allem die Sensibilisierung der Menschen für Naturschutz von großer Bedeutung seien.
Das Interesse durchaus vorhanden ist, ließ sich an der Besucherzahl erkennen. Rund 300 Naturverbundene lauschten den Vorträgen, die sich unter anderem mit Greifvogelschutz, Stadtfüchsen, Wildkaninchen und urbanisierten Feldhasen in Berlin beschäftigten. JUDITH NOACK