: Krisenwohngruppe schließt ihre pforten
Aus kostengründen bringt das städtische jugendamt vernachlässigte kinder immer öfter in pflegefamilien unter. Die folge: stationäre betreuungseinrichtungen wie die krisenwohngruppe des kölner Kinderschutzbundes bleiben leer
Köln taz ■ „Die hoffnung stirbt zuletzt“, sagt Jochen Muth vom Kinderschutzbund Köln. Aber eigentlich sei die schließung der von ihnen betriebenen krisenwohngruppe in Ehrenfeld beschlossene sache. „Da müsste schon ein wunder geschehen“, ergänzt die vereinsvorsitzende dr. Elisabeth Mackscheidt. Und damit sei nicht zu rechnen in zeiten knapper öffentlicher gelder. Da die krisenwohngruppe im letzten halben jahr nicht vollständig ausgelastet war, muss sie nun ihre pforten schließen. Dabei ist der bedarf an unterbringungsmöglichkeiten für kinder, die vernachlässigt, geschlagen oder sexuell missbraucht werden, nach wie vor gegeben, betont der verein. Die jugendämter setzten aber vermehrt auf preiswertere lösungen und wiesen der wohngruppe nur noch selten kinder zu. In gesprächen habe die stadt keine wirtschaftlich tragbare perspektive für die krisenwohngruppe zusagen können, klagt der Kinderschutzbund. Auch in zukunft würden kinder aus familiären notsituationen vorrangig ambulant betreut oder in pflegefamilien und städtischen heimen untergebracht, was kostengünstiger sei.
Immerhin spart die stadt nach aussage des vereins bis zu 2.000 Euro pro kind und monat, wenn das kind in einer pflegefamilie statt in der wohngruppe unterkommt. Diese könne aber nur bei annähernder vollbelegung kostendeckend arbeiten und müsse dicht machen, wenn die stadt keine belegungszusage mehr gebe.
Mit der schließung fällt in Köln eine einmalige unterbringungsmöglichkeit für kinder in not weg. Bis zu zehn kinder im alter von 1 bis 14 jahren können in dem extra für diesen zweck errichteten gebäude aufgenommen und tag und nacht betreut werden. Durchschnittlich bleiben sie knapp fünf monate hier. „Das besondere ist, dass wir ganz eng mit den eltern zusammenarbeiten“, sagt Manfred Groß-Paar, der leiter der krisenwohngruppe. „Sie können mehrmals in der woche kommen und ihre kinder besuchen.“ Parallel zur betreuung der kinder findet eine beratung der eltern statt. Dass über die hälfte der aufgenommenen kinder nach einiger zeit wieder in ihre familien zurückkehren, zeigt nach angaben des Kinderschutzbundes, wie erfolgreich diese kombination ist. Zumal auch die nachbetreuung von den pädagogen des kinderschutzbundes geleistet werde.
Allerdings gibt es auch rückfälle. Erst vor wenigen tagen wurden drei geschwister in die wohngruppe aufgenommen, die bereits vor einem jahr für sechs monate dort waren, erzählt Groß-Paar. Der vater musste ins krankenhaus, die mutter war allein mit der betreuung der kinder überfordert und befürchtete erneut, gewalttätig zu werden. „Dass sie sich vorbeugend ans jugendamt gewendet hat, ist auch ein erfolg unserer arbeit“, sagt Groß-Paar.
Dem 46-jährigen diplom-sozialarbeiter geht es darum, lösungen zu finden, die für kinder und eltern hilfreich sind. Wenn eine dauerhafte fremdbetreuung der kinder unumgänglich sei, könne das im optimalfall im einverständnis mit den eltern geschehen. Das sei auch für die betroffenen kinder wichtig, die sich paradoxer weise oft sorgen um das seelenheil ihrer eltern machten. Christiane Martin