Altes Tor zum Gedenken

Heute wird das Gelände des Konzentrationslagers Neuengamme, auf dem 50 Jahre lang ein Gefängnis stand, an die Gedenkstätte übergeben. Lagergemeinschaft „amicale internationale“ rechnet mit der Teilnahme von 300 früheren Insassen

von ELKE SPANNER

Naturgemäß sind es nur noch wenige der ehemaligen Insassen des Konzentrationslagers Neuengamme, die heute zur offiziellen Übergabe des historischen Geländes an die Gedenkstätte anreisen können. Denn über 50 Jahre hat es gedauert, ehe die Stadt Hamburg diesen Sommer das Gefängnis, das nach dem Krieg auf dem Gelände errichtet worden war, fortverlegt hat und somit auch dieser Teil zur Gedenkstätte umgebaut werden kann. Immerhin aber rechnet die Lagergemeinschaft „amicale internationale“ für den heutigen Festakt mit 300 Überlebenden und deren Angehörigen, die sich aus Belgien, Dänemark, Frankreich, Niederlande, Polen, Russland, Ukraine, Ungarn und Weißrussland angekündigt haben.

Die offizielle Übergabe des Geländes an die Gedenkstätte wird auf dem früheren KZ-Appellplatz erfolgen, der inzwischen rekonstruiert worden ist. Dort werden die TeilnehmerInnen von Baukränen umgeben sein: Der Abriss der Gefängnisbauten ist bereits in vollem Gang. Bewusst hat die Gedenkstätte laut ihrem Mitarbeiter Andreas Ehresmann entschieden, trotz der feierlichen Stunde die Baustelle sichtbar zu lassen – diese ist für die ehemaligen Insassen anschaulicher Beleg, dass ihr früherer Leidensort jetzt in ihrem Sinne gestaltet wird.

Grundsatz ist, dass die Nachkriegsgebäude abgerissen werden und das Historische weitgehend erhalten bleibt. Dennoch soll auch die Nachkriegsnutzung als Gefängnis Thema der Gedenkstätte sein. Deshalb werden die unterschiedlichen Zeitschichten deutlich gemacht, indem etwa eine Ecke eines Gefängnisgebäudes stehen bleibt.

Zudem muss der Grundsatz, die Nachkriegsgebäude zu entfernen, anhand einzelner Exponate immer wieder neu diskutiert werden. Begleitend zum Abriss wird das Geländeauf historische Fundamente, Materialien und Gegenstände untersucht. Am Rande des Appellplatzes konnte beispielsweise ein schmales Stück einer Aschenbahn freigelegt werden, die nach dem Ende des Krieges für den Sport der Insassen errichtet worden war – auf Geröllbrocken, die beim Zerstemmen des Appellplatzes entstanden sind. Weil sich hier die Zeitschichten im wahrsten Sinne des Wortes vermischen, wird auch diese Entdeckung laut Ehresmann in die Gedenkstätte eingebunden. Den bisher wichtigsten Fund haben die ArchäologInnen und HistorikerInnen in einem Gebäude gemacht, in dem in den vergangenen 50 Jahren Gefängnisinsassen in Schlafsälen untergebracht waren. Als die ForscherInnen dort den Boden aufstemmten, haben sie eine zunächst unscheinbare Betonfläche entdeckt – und schließlich rekonstruiert, dass es sich um einen Teil des Original-Appellplatzes handelt. Der wird nun so weit wie möglich freigelegt.

Nicht nur auf dem ehemaligen KZ-Gelände, sondern auch andernorts werden immer wieder Originalgegenstände aus der Nazi-Zeit wiederentdeckt. Einen bedeutenden Fund machte vor rund einem halben Jahr der frühere Insasse und jetzige Vertreter von amicale, Jean Le Bris: In einem Militärdepot nahe Strasbourg entdeckte er das frühere Original-Lagertor. Ehresmann vermutet, dass es nach der Befreiung des KZ von Insassen mitgenommen wurde, um es als Dokument der erlebten Geschichte eines Tages auszustellen. Auch im Freiheitsmuseum in Kopenhagen beispielsweise befänden sich viele Exponate aus Neuengamme, die Häftlinge zu diesem Zweck mitgenommen hatten. Das Tor aber ist von seiner Bedeutung her etwas Besonderes – und seine Übergabe an die Gedenkstätte heute ein eigener Programmpunkt, zu dem die Gäste des Gedenktagesschon vor der offiziellen Feier zusammenkommen werden.

Gedenkfeier um 11 Uhr auf dem rekonstruierten Appellplatz, Übergabe des Lagertores um 10 Uhr im Steinhaus II