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Archiv-Artikel

Orthodoxer Segen für Denis und Michail

Mit der ersten Trauung von zwei Schwulen löst ein russischer Pfarrer in Nischni Nowgorod einen Skandal aus

BERLIN taz ■ Skandal in der russisch-orthodoxen Kirche: In der zentralrussischen Großstadt Nischni Novgorod hat kürzlich ein Pope erstmals ein schwules Paar getraut. Für 15.000 Rubel (500 Euro) brachte Pfarrer Wladimir –allen kirchlichen und staatlichen Gesetzen zum Trotz – die Schwulen Michail Morosow und Denis Gogolew unter die Haube. Wie es die Zeremonie vorschreibt, setzten die angehenden Ehemänner die Heiratskronen auf und wechselten die Trauringe.

Ein paar Sekunden hatte der Pope zwar zuvor noch gezögert, aber nach der Beantwortung der Frage, wer denn die Rolle der Braut übernehmen werde, waren alle Bedenken zerstreut. Die Kirche zögerte nicht lange. Das Episkopat der Kirche von Nischni Novgorod untersagte dem Pfarrer weitere Gottesdienste und leitete ein Ermittlungsverfahren gegen ihn ein. Wladimir hat mittlerweile die Stadt mit unbekanntem Ziel verlassen.

Denis und Michail haben deswegen keine Gewissensbisse: „Wir haben die Kirche nicht kompromittiert, sie hat das ohne uns längst geschafft.“ Und: „Dieses Ereignis ist eine friedliche Revolution“, sagt Denis, der vom Beruf Image-Maker ist. Seit ein Artikel über die spektakuläre Trauung in der Tageszeitung „Komsomolskaja Pravda“ erschien, werden er und sein Gatte von Journalisten aus ganz Europa regelrecht belagegert.

Das schwule Paar ist in Nischni Novgorod schon seit langem Thema. Zuerst wollte Michail Morosow, stadtbekannter Haarstilist, als einziger Mann am Schönheitswettbewerb „Miss Nischni Nowgorod“ teilnehmen. Zwar erteilten die Organisatoren zuerst ihre Einwilligung, „aus werbewirksamen Interessen“, wie Denis sagt. Schließlich durfte Michail aber doch nicht mit seinem durchgestylten Body um die Krone der Schönheitskönigin von Nischni Novgorod konkurrieren. „Ein Tag vor der endgültigen Entscheidung haben sie Michail gesagt, er muss entweder selber gehen oder er wird gegangen“, empört sich Denis. „Sie befürchteten, dass bei zwölf weiblichen und einem männlichen Kandidaten ein Junge den Titel holt.“ Ende des Monats will er die Organisatoren des Wettbewerbswegen der Verletzung von Michails Ehre verklagen.

Doch auch auf einem anderen Gebiet wollen die frisch Getrauten Russland zu einem „wirklich demokratischen Staat“ machen. Diesmal findet die Schlacht eine Stufe höher statt: Beide haben vor, als unabhängige Kandidaten für Nischni Nowgorod bei den Parlamentswahlen im kommenden Dezember anzutreten. Denis ist vom Erfolg überzeugt „Unsere Wähler sind vor allem Frauen“, sagt er. Und die seien in Russland ein durchaus handlungsfähiger Teil der Gesellschaft.

OLGA PANIKAROVSKICH