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Archiv-Artikel

Und ewig quält der Kanzlerbrief

Kaum ist die Bürgerschaft aus dem Sommerurlaub zurück, geht das Gezänk innerhalb der großen Koalition wieder los. Der jüngste Akt gestern: Die CDU greift Finanzsenator Nußbaum an, und Vorgänger Perschau tut so, als habe er damit nichts zu tun

Bremen taz ■ Die parlamentarische Ruhe dauerte nicht lange, und sie war trügerisch. Parlamentspräsident Christian Weber (SPD) empfing die Abgeordneten gestern mit einer ungewöhnlichen Bitte zur ersten Sitzung nach dem Sommer: „Machen Sie bitte keine abrupten Bewegeungen“, sage Weber, „wir werden nämlich heute für Broschüren fotografiert – und der Fotograf hat lange Belichtungszeiten“.

Wenige Minuten später war es aus mit dem Stillsitzen. Giftpfeile schossen zwischen CDU und SPD hin und her, so dass sich die oppositionellen Grünen ungläubig ansahen. CDU-Fraktionsvize Helmut Pflugradt hatte den Senat gefragt, zu welchen Ergebnissen „das am 7. August 2003 stattgefundene Gespräch des Finanzsenators mit dem Bundesfinanzminister“ geführt habe, und zwar „bezüglich der Zusage des Kanzlers, die eine Kompensation der durch die Steuerreform zu erwartenden Steuerausfälle im bremischen Landeshaushalt zusichert“. Mit süffisantem Zungenschlag legte Pflugradt die Frage nach, „mit welchen kreativen Maßnahmen“ der gerade mal hundert Tage amtierende Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) „die Vorurteile des Bundesfinanzministers dem Land Bremen gegenüber abbauen“ wolle.

„Perschau fragen!“, kam es da hämisch von den SPD-Bänken, doch verlor Pflugradt kein Wort über Nußbaums Vorgänger, seinen CDU-Parteifreund Hartmut Perschau, der jahrelang für die Bremische Finanzpolitik verantwortlich gezeichnet hatte und gestern auf der Senatsbank still schmunzelte.

Das Treffen mit Hans Eichel sei ein „persönliches Vorstellungsgespräch ohne Fachbeamte“ gewesen, betonte Nußbaum. Mit leiser Stimme und sich etwas ungelenk aufs Rednerpult stützend berichtete der Neu-Senator, dass er Eichel „die schwierige Finanzsituation Bremens und die erheblichen Sanierungsanstrengungen“ erläutert habe. Auch habe er „um Verständnis für die notwendig hohen Investitionsausgaben“ gebeten, die „zentraler Bestandteil“ der Sanierungsstrategie seien, und deutlich gemacht, dass Bremen „zunächst noch“ auf weitere Bundeshilfe angewiesen sei. Eichel und er hätten eine „künftig enge Zusammenarbeit in diesen Fragen“ vereinbart. Er werde „die Gespräche fortsetzen, die in den vergangenen Jahren vielleicht nicht in der Ausführlichkeit geführt worden sind“, sagte Nußbaum.

Dieser Satz enthielt natürlich eine Spitze gegen Perschau, der in den vergangenen zwei Jahren nicht mehr mit Eichel gesprochen haben soll. CDU-Fraktionschef Kastendiek ließ sich nicht lange bitten und keilte umgehend zurück: Ob er denn „das elementar wichtige Thema“ Kanzlerbrief gegenüber Eichel nicht angesprochen habe, raunzte Kastendiek Nußbaum an. Doch, kam die zögerliche Antwort, aber Eichel habe sich nicht konkret geäußert, welchen Betrag der Kanzlerbrief wert sei.

Wie gereizt die Stimmung inder Koalition ist, zeigt die Reaktion der Sozialdemokraten auf das Wortgefecht zwischen Kastendiek und dem SPD-nahen Senator: „So ‘ne kleine Münze“, schleuderte Hermann Kleen Kastendiek entgegen, und ein anderer Genosse beschied den CDU-Vormann knapp: „Setzen, sechs.“ Markus Jox