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Archiv-Artikel

Rendezvous in Marokko mit strengen Regeln

Für die Kommunalwahlen hat der König den Islamisten Zurückhaltung verordnet. Die treten in ihren Bastionen nicht an

MADRID taz ■ Marokkos Islamisten wissen, was König Mohammed VI. von ihnen erwartet: bloß keinen Sieg bei den heutigen Kommunalwahlen. Deshalb tritt die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) nur mit 4.268 Kandidaten an. Die anderen großen Parteien wie die sozialistische USFP und die nationalistische Istiqlal präsentieren viermal so viele Bewerber. Die PJD ist damit nur in 15 Prozent der Wahlbezirke vertreten.

Am auffälligsten ist, dass die Islamisten überall dort auf den Stimmzetteln fehlen, wo ihnen ein Erfolg gewiss wäre, so in Tanger oder in Casablanca. In beiden Städten hätten sie gute Chancen gehabt, als größte Fraktion in den Stadtrat einzuziehen. Das zeigen die Ergebnisse bei den Parlamentswahlen im vergangenen September. Die PJD wurde auf Anhieb drittstärkste politische Kraft.

So lautete zumindest das offizielle Wahlergebnis. Bis es jedoch vom Innenministerium veröffentlicht wurde, vergingen mehrere Wochen. Vermutlich hatten die Islamisten, obwohl sie nur in zwei Drittel der Wahlbezirke angetreten waren, noch besser abgeschnitten. Hinter den Kulissen wurde dann verhandelt, welchen Platz sie einnehmen dürfen, um die vom König gewünschte Regierungsmehrheit aus Istiqlal und USFP nicht zu gefährden.

Damit es dieses Mal erst gar nicht so weit kommt, wurde nicht nur die PJD davon überzeugt, sich zurückzuhalten. Der Urnengang wurde gar verschoben. Er sollte nicht in unmittelbar zeitlicher Nähe zum Irakkrieg stattfinden. Denn Marokkos König Mohammed VI. fürchtet um den Verstand seiner Untertanen. Sie könnten ihn ob der Proteste gegen die US-Invasion verloren haben und den Islamisten in Scharen zulaufen. Das sollte um jeden Preis verhindert werden. Denn die Kommunalwahlen sind der erste marokkoweite Urnengang seit den Terroranschlägen in Casablanca, bei denen im vergangenen Mai 45 Menschen ums Leben kamen. Marokko ist seither darauf bedacht, das Image als gemäßigtes islamisches Land wieder herzustellen.

„Die Kommunalwahlen sind ein einzigartiges Rendezvous für die Marokkaner, die ein starkes Signal an die internationale Öffentlichkeit senden werden“, erklärt der Chef der USFP, Abdelrahman Youssoufi. Ein Minister seiner Partei wird noch deutlicher. Die Islamisten müssen „um Entschuldigung für einen intellektuellen Terrorismus bitten“. Denn ihr Gedankengut habe als Nährboden für die Gewalt gedient. Den legalen islamistischen Gruppen werden deshalb Grenzen gesteckt, obwohl sie die Attentate scharf verurteilt haben.

Kleine, radikalere Organisationen werden gnadenlos verfolgt. Insgesamt wurden seit der Anschlagsserie von Casablanca über 1.000 Islamisten verhaftet. Mindestens 134 von ihnen sollen vor Gericht gestellt werden. Und die Räder der Justiz mahlen schnell. Im Juli wurden 10 Mitglieder des Salafistischen Dschihad zum Tode verurteilt. Zurzeit läuft ein weiterer Prozess gegen 34 mutmaßliche Hintermänner der Attentate. Ihnen allen droht die Todesstrafe.

REINER WANDLER