: „Es gibt keine neue Qualität rechten Terrors“
Der Berliner Rechtsextremismus-Experte Burkhard Schröder wirft den Politikern Alarmismus vor. Eine „Braune Armee Fraktion“existiere nicht. Er würde sich nicht wundern, wenn unter den festgenommenen Münchnern auch V-Leute des Verfassungsschutzes sind
taz: Herr Schröder, Gibt es das: eine Braune Armee Fraktion, eine BAF?
Burkhard Schröder: Nein. So etwas gibt es nur bei Leuten, die weder über ein Zeitungsarchiv noch über ein Gedächtnis verfügen. Sonst wüssten sie, dass seit Anfang der 90er-Jahre immer dann, wenn ein rechter Rohrbombenattentäter erwischt wird, der bayerische Innenminister von einer Braunen Armee Fration spricht und im Anschluss die Einschränkung der Demonstrationsfreiheit und anderer Bürgerrechte fordert.
Aber deshalb können die Funde in München doch trotzdem einen Qualitätssprung darstellen.
Ich kann aber keine neue Qualität erkennen. Es sind bei weit mehr Rechten schon weit mehr Waffen und Sprengstoff gefunden worden. Es hat in den 80er-Jahren Anschläge auf jüdische Kaufhäuser in Österreich gegeben. In Deutschland dagegen waren ausschließlich Synagogen und Friedhöfe Ziele von Anschlägen. Aus den letzten zehn Jahren lassen sich nennen: Berlin-Kreuzberg April 2002, Erfurt April 2000, Lübeck März 1994 und Mai 1995, die Trauerhalle des jüdischen Friedhofes in Potsdam Januar 2001.
Aber Rohrbomben gegen Juden?
Rohrbomben sind schlichtweg die Bomben, die am leichtesten zu bauen sind, und immer wieder will sich einer in der rechten Szene damit hervortun, dass er eine Rohrbombe baut. In den letzten 25 Jahren sind übrigens die rechten Rohrbombenattentäter, die man fasste, mehrheitlich V-Leute des Verfassungsschutzes gewesen. Es würde mich nicht im geringsten wundern, wenn bei der Truppe in München auch ein V-Mann dabei ist.
Wenn die Politiker und die Polizei nun sagen würden: wir haben übrigens wieder einmal ein paar stinknormale Rechte mit stinknormalen Waffen gefunden, dann würden wir sie der unzulässigen Abwiegelung beschuldigen.
Nun, man muss aber fragen, warum denn die unzähligen Maßnahmen „gegen rechts“ nichts fruchten, wenn alle zwei Jahre eine neue, bedrohlichere Qualität rechten Terrors beschworen wird. Man kann nicht immer diese alarmistische Attitüde einnehmen und sich nicht dem Problem stellen, dass die vorhandenen, eher symbolischen Strategien „gegen rechts“, die außerdem noch zumeist den Antisemitismus ausklammern, nicht erfolgreich sind.
Beweisen die Münchner Ereignisse, dass statt Flüchtlingen und Immigranten nun wieder vermehrt Juden Ziel rechtsextremistischer Aktivitäten sind?
Die Juden in Deutschland waren immer das primäre Ziel der Rechten. Gleichzeitig gehen sie bei der Auswahl der Anschlagsziele immer nach dem gesellschaftlichen Mainsteam, nach den Themen, die gerade öffentlich aktuell sind – daher die Anschläge auf Einwanderer Anfang der 90er. Der Antiamerikanismus und die Verschwörungstheorien rings um den 11. September dürfte auch die Rechten wieder an ihr Kernanliegen erinnert haben.
Es handelt sich bei der Münchner Gruppe um Männer, die aus den neuen Bundesländern eingewandert sind. Kann man hier von einem Ost-West-Transfer oder Export von Rechtsextremismus aus dem Osten reden?
Der Transfer dürfte den demografischen Gegebenheiten entsprechen – dass also junge mobile Menschen ihr Glück im Westen suchen. In der Tat existiert der militante rechte Sumpf als Milieu eher im Osten als im Westen. Aber für noch auffälliger halte ich, dass rechte Täter eher in Kleinstädten als in Großstädten beheimatet sind – auch Mitglieder der Münchner Gruppe kamen aus Kleinstädten um München.
Nazis kommen immer aus Kleinstädten?
Dies hat man auch schon bei den Skinheads Sächsische Schweiz gelernt. In Kleinstädten gibt es oft ein Milieu, das bestimmte Dinge duldet und gleichzeitig fördert: Dass normale Kinder normaler Bürger am Küchentisch normale rassistische Parolen schwingen und daraus auch Folgen für ihr Handeln ziehen. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass – falls es einen rechten Mainstream gibt – die „Guten“, die Nachdenklicheren, aus den Klein- in die Großstädte ziehen. INTERVIEW: ULRIKE WINKELMANN