: Es gibt keine dummen Fragen
betr.: „Macht macht Mainstream“ von Renée Zucker, taz vom 9. 9. 03
Ich möchte Antworten auf die vielen ungeklärten Fragen bekommen. Durch belegte, saubere Recherche. Ob die amerikanische Regierung dann als böse oder rehabilitiert dasteht, ist mir dabei ziemlich schnuppe. Und wenn 20 Prozent der deutschen Bevölkerung eine wie auch immer geartete Verstrickung der US-Regierung in die Ereignisse des 11. 9. für möglich halten, heißt das noch lange nicht, dass sie glauben, es sei so. Es gibt keine dummen Fragen, aber jede Menge dumme Antworten. Ich würde mir wünschen, dass die taz verstärkt gescheite Antworten sucht und findet. MARTIN RENZ, Kirchheim
betr.: „Der große Mumpitz“ (11. September 2001: Verschwörungstheorien), taz vom 11. 9. 03
Das besondere an Verschwörungstheorien ist, dass sie nicht letztendlich widerlegt werden können. […] Es bleibt also nur (sofern man nicht „glauben“ will), sich mit Wahrscheinlichkeiten zufrieden zu geben. Viel interessanter sind daher auch die Entstehungsvoraussetzungen der Verschwörungstheorien – und die Motive ihrer Gegner. Generell haben offizielle Institutionen ab dem Zeitpunkt jeweils viel von ihrer Glaubwürdigkeit verloren, an dem so etwas wie eine systematische, professionelle und auf bestimmte Effekte abzielende Öffentlichkeitsarbeit eingeführt wurde. So entsteht ein Generalmotiv für Manipulationsvorwürfe. Im besonderen Fall 11. September ist es ja durchaus nahe liegend, zunächst einmal zu fragen: Warum sollte es sich ausgerechnet so abgespielt haben, wie es ein Staatsapparat behauptet, der für skrupelloseste Manipulationspraktiken berühmt und berüchtigt ist? […] Dazu kommt die heute so alltägliche wie weitgehende Möglichkeit, virtuelle oder halbvirtuelle Realitäten zu erschaffen …
Dass die taz so wütend, gar beleidigend gegen die 9-11-Zweifler anschreibt, hat sicher verschiedene Gründe, u. a. die strukturelle Ähnlichkeit mit Antisemitismus und Holocaust-Leugnung. Aber es geht von Verschwörungstheorien auch eine viel existenziellere Bedrohung für die taz und den Journalismus als Ganzes aus: Wo keinem Akteur mehr vertraut werden kann und nichts unfälschbar ist, verliert ein professionelles Nachrichtenwesen sein ganzes Kapital, das aus Sicht des Endverbrauchers ja nur aus einem Vertrauensvorschuss besteht, und damit jeden praktischen Zweck. Dem muss sich der Journalismus langfristig stellen. Nachdem das Rad der technischen Entwicklung nicht zurückgedreht werden kann, liegt als ein erster Schritt dazu der Faktor Motiv nahe: Auch die taz hat daran mitbearbeitet, ein Klima aufzubauen, in dem jede in der Öffentlichkeit stehende Person oder Institution für PR-technisch nicht auf der Höhe der Zeit stehendes Verhalten von den professionalitätsversessenen Journalisten wenigstens herablassend belächelt wird. Genau an diesem Punkt beginnt das Karussell des Realitätsstylings sich zu drehen, an dessen Ende ein vertrauensunwilliges Publikum steht.
FLORIAN SUITTENPOINTNER, Köln
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