Knigge: Vorwürfe „abwegig“

Behindertenvertretung kritisiert Sozial-Staatsrat Arnold Knigge für dessen Äußerung von der „Euthanasielücke“, die sich jetzt langsam fülle und die Sozialkassen belaste

Bremen taz ■ Schwere Vorwürfe hat die Gesamtschwerbehindertenvertretung im Land Bremen gegen Sozialstaatsrat Arnold Knigge erhoben. Dieser hatte letzte Woche gegenüber Journalisten die Haushaltssperre des Sozialressorts kommentiert und dabei neben einer krankenden Wirtschaft auch die immer größere Zahl an alten und daher zunehmend pflegebedürftigen Menschen für den Geldmangel verantwortlich gemacht – einschließlich der Menschen mit Behinderungen, „die jetzt die Euthanasielücke beginnen aufzufüllen“ (taz berichtete). Mit dieser Äußerung reihe sich Knigge in einen Trend ein, der dem nationalsozialistischen Gedankengut von „unbrauchbarem“ oder „unwertem“ Leben gefährlich nahe stehe, kritisierte Behindertenvertreter Jürgen Schomacker.

Diese Interpretation seiner Äußerung, erklärte Staatsrat Knigge gestern, sei „ziemlich abwegig“. Es sei selbstverständlich „positiv, dass Behinderte älter werden“. Das habe er auf dem Pressetermin auch deutlich zum Ausdruck gebracht. Knigge: „Niemand hat das missverstanden“.

Durch die Verwendung des Wortes „Euthanasielücke“ werde der Mord an 250.000 psychisch Kranken, geistig Behinderten und BewohnerInnen von Alten- und Pflegeheimen auch nicht verharmlost, sagte Knigge. Er habe „einfach die demographische Entwicklung ganz nüchtern dargestellt“. Und dass die Euthanasie eine ganze Generation von Behinderten ausgelöscht habe, weswegen es erst jetzt wieder ältere Behinderte gebe, sei schließlich ein Faktum. Er sehe daher keinen Grund, sich für seine Wortwahl zu entschuldigen. Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) nahm gestern ihren Staatsrat in Schutz und nannte Schomakers Äußerungen „eine diffamierende Entgleisung“. Sie forderte den Behindertenvertreter auf, „diese Linie nicht weiter zu verfolgen.“

Schomaker erklärte gegenüber der taz, ein Beamter, der für die Behindertenpolitik im Land zuständig sei, müsse mit Worten vorsichtiger umgehen. Demographische Sachverhalte darzustellen sei erlaubt, „aber nicht mit diesen Begrifflichkeiten“. sim