festivalnotizen: Nordische Extreme
Norddeutschland ist eine Region der Extreme! Das wussten sie nicht? Da schaue man sich doch nur einmal die hiesigen Festspiele an: Das bald zu Ende gehende Schleswig-Holstein Musik Festival ist mit seiner Dauer vom 10.7. bis 29.8. und der riesigen Anzahl von Konzerten wohl das größte Festival der Bundesrepublik. Das Hamburger Musikfest am 10./11.September hingegen dürfte das kürzeste Festival weltweit sein. Ganze 24 Stunden dauert das Ganze. Die arme Hansestadt kann sich offenbar nicht mehr leisten als ein 24-Stunden-Festival. Gut, dass diese Veranstaltung nicht Festival, sondern wirklich nur Fest genannt wird, obwohl auch das schon reichlich hochtrabend erscheint. Treffender schiene da doch die Bezeichnung Festchen oder besser noch als niedliche Variante „Festilein“ in Anlehnung an „Herzilein, du sollst nicht traurig sein“. Aber das würde natürlich inhaltlich überhaupt nicht passen, denn schließlich gibt es im Rahmen des Hamburger Musikfestes höchst Anspruchsvolles zu erleben, nämlich Luigi Nonos opus summum „Prometeo“. Und das könnte dann aus dieser Veranstaltung einen Höhepunkt im norddeutschen Kulturleben machen. Apropos Höhepunkt: Luigi Nonos Streichquartett war in der Kopplung mit Madrigalen der Renaissance und der Ars Nova bei dem vielleicht besten Kammermusikfestival auf deutschem Boden – auch ein Extrem – im Elbstädtchen Hitzacker ein tief beeindruckendes Ereignis.
Weitere Extreme gefällig: Im niedersächsischen Fachwerkstädtchen Celle, einem Disneyland für Idylliker, gibt es auch ein Festival von fast der Dauer des Schleswig-Holstein Musik Festivals. Sechs Wochen feiert man dort den „Orgelsommer“: Die Anzahl der Konzerte ist allerdings etwas geringer. Es sind gerade einmal vier. Und dann noch Braunschweig: Dort gibt es das Festival mit den größten, über dem Podium hängenden Werbeplakaten der Sponsoren, das Braunschweig Classix. Und beim Bremer Musikfest gibt es all das, was es anderswo auch gibt. Nur dass es hier geballt in wenigen Wochen zu besonders hohen Preisen angeboten wird. Dafür ist in der Glocke die Akustik unübertrefflich.
Reinald Hanke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen