: Guter Rat für die Radler
Der Senat gründet einen FahrRAT, der Aktionen verschiedener Organisationen koordinieren soll. Der ADFC mischt mit und will Gesetzesänderungen. Beim autofreien Tag will Berlin außen vor bleiben
von DINAH STRATENWERTHund CHRISTIN GRÜNFELD
Stellt euch vor, alle engagieren sich für die Fahrradfahrer, aber niemand kriegt’s mit. Das soll sich in Berlin jetzt ändern. Auf Initiative des Senats hat sich ein „FahrRAT“ gegründet, der in Zukunft Aktivitäten von Verwaltung, Polizei, öffentlichem Nahverkehr und Verbänden bündeln soll. In der Runde sitzen neben BVG, S-Bahn, dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) und Mitarbeitern der Polizei auch Vertreter der Wirtschaft und Wissenschaften. Bisher hätten all diese Akteure im Alleingang gehandelt und daher seien viele Aktionen „verpufft“, so Horst Wohlfarth von Alm, Senatsvertreter im FahrRAT. Geplant ist, dass sich der Rat insgesamt fünfmal treffen soll, danach sollte das Ziel der Bündelung erreicht und der Rat überflüssig geworden sein. In den ersten zwei Sitzungen wurden bislang nur Formalitäten geklärt. Beim nächsten Treffen Ende Oktober wird es um Gesundheit und Sicherheit der Radler gehen. Unter anderem stellt die Polizei ihre Unfallstatistik vor und macht Vorschläge, wie gefährliche Straßenecken entschärft werden können. Die Themen der Sitzungen bezeichnet Wohlfarth von Alm als „Bausteine“, an denen sich die verschiedenen Akteure beteiligen könnten. „Wir können diese Themen fördern, indem wir zusammenarbeiten“, so der Senatsvertreter. Bei den zukünftigen Sitzungen wird es um den Ausbau des Radwegenetzes, Fahrräder in öffentlichen Verkehrsmitteln und Verkehrserziehung in der Schule gehen.
Der Landesvorsitzende des ADFC und Radbeauftragte des Senats für Stadtentwicklung, Benno Koch, sieht im FahrRAT die Chance, ihre Lobbyarbeit verbessern zu können. Der ADFC hofft, neue Gesetze durchzusetzen, um den Radverkehr in Berlin weiter zu fördern. „Heute macht der Anteil der Radfahrer 10 Prozent des gesamten Innenstadtverkehrs aus – doppelt so viel wie vor zehn Jahren.“ Um die Rahmenbedingungen für Radler zu verbessern, sei es gut, wenn sich alle Beteiligten an einen Tisch setzten, so der Experte. Der Landesetat für den Ausbau des Velonetzes sei mit 5 Millionen Euro veranschlagt. Nicht inbegriffen seien Instandhaltungsmaßnahmen sowie die Entwicklung neuer Konzepte. Diese seien aber dringend nötig, meint Koch. Es gebe viele gute Methoden, die Sicherheit zu erhöhen. In den Niederlanden zum Beispiel, sei es seit diesem Jahr Pflicht, dass Lkws mit einem zusätzlichen Spiegel ausgestattet sein müssen. Der so genannte tote Winkel, eine der Hauptursachen für schwere Unfälle, könne damit vermieden werden. In London sind, so Koch, an allen Kreuzungen Haltezonen für Radfahrer eingerichtet worden.
„Je mehr Menschen Rad fahren, umso sicherer wird es“, sagt Koch. Der ADFC setzt mit seiner großen Kreisfahrt, die heute um 14.00 Uhr vor dem Brandenburger Tor beginnt, dafür ein Zeichen. Die bundesweit größte Demonstration dieser Art fand bereits im Mai statt, als über 100.000 Zweiradfans in die Pedale traten. Die Riesentour gehört zur europaweiten Aktion „In die Stadt – ohne mein Auto“, die am Montag stattfindet. Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, freut sich, dass die Berliner wenigstens auf diese Weise die Initiative ergreifen. Den FahrRAT findet er „Spitze“, aber seine Fraktion ist empört darüber, dass der Senat es nicht für nötig hält, sich an diesem Tag für ein autofreies Berlin stark zu machen.
Bei der Landesregierung hält man hingegen den Tag für überflüssig. „Er bringt nichts“, so die stadtentwicklungspolitische Sprecherin Petra Reetz. „Berlin hat kein Zentrum, das man einfach abriegeln könnte. Wir müssen unseren Verpflichtungen als Bundeshauptstadt nachkommen.“ Statt eines autofreien Tages bevorzugt der Senat Kongresse zur Verkehrspolitik. Diskussionen seien wichtiger als symbolische Tage. Die Grünen aber blicken neidisch nach Paris und Rom, wo Millionen ihr Auto stehen lassen werden. „Am Montag fahren wir mit sieben Personen auf einem Krakenfahrrad Unter den Linden um wenigstens Solidarität zu demonstrieren“, kündigt Cramer an.