Hauptsache Wind

Der Berliner Ausstellungsmacher Klaus Biesenbach, die Kunst und die RAF

RAF ist cool, RAF ist in – und, so betrachtet, öde: die abgelegte Mode von morgen Mittag

RAFRAFRAF, kläfft es durch den deutschen Wald. Andreas Baader, so ist seit Jahren zu erfahren, war ein Popstar und fuhr Iso Rivolta, seine Satinhosen stehen im Focus der neuen Popgeschichtsschreibung. RAF ist cool, RAF ist in – und, so betrachtet, ganz und gar öde: die abgelegte Mode von morgen Mittag.

Projektionsfläche war die Rote Armee Fraktion von Anbeginn ihrer Existenz. Heinrich Böll nannte Ulrike Meinhof und ihre Truppe verklärend „Sechs gegen 60 Millionen“; das stimmte so zwar nicht, doch wenn man den Kopf-ab!-Terror der deutschen Massenmedien in den Siebzigerjahren in Rechnung stellt, bleibt immerhin die couragierte Haltung Bölls erkennbar, der kein guter Schriftsteller war, aber auch, anders als oft behauptet, kein blöder Gutmensch. Sondern ein mutiger Mann, der sich mit Bild und den hinter Bild stehenden Aufhängen!-Schreihälsen ernsthaft anlegte.

Für Vergangenes wie die RAF gilt wie für Hitler: Wer später die Deutungshoheit erringt, wer Geschichte passend gemacht in sein politisches Programm einordnet, erlangt damit Zugriff auf die politische Gegenwart. Kein Wunder, dass Ernst Nolte, Rainer Zitelmann und Guido Knopp in Deutschland als Historiker gelten; kein Wunder auch, dass der deutsche Publizismus sich um die RAF reißt. Dabei gäbe es einiges zu wissen: Ich erführe gern, was denn wirklich geredet und beschlossen wurde bei den Sitzungen des Kleinen Krisenstabs 1977, ungekürzt, unzensiert.

Andere bleiben lieber beim Maggi- und Mystifix RAF, das ist in jeder Hinsicht günstiger. Die Berliner Ausstellungsfirma „Kunst-Werke“ pflegt unter ihrem leitenden Kurator Klaus Biesenbach ein Faible für Oberflächenreize; ab November 2004 sollte dort, das war der Plan, eine Ausstellung unter dem Titel „Mythos RAF“ gezeigt werden. Kaum war die Sache angekündigt, gab es den erwartbaren Ärger: Guido Westerwelle, Otto Schily, Gerhard Schröder und die Kulturstaatsministerin Christina Weiss protestierten vehement und hatten dabei jede Menge Gratismoral auf der Pfanne. Das war selbst für naivste Geister vorhersehbar, doch die „Kunst-Werke“ des null naiven, hoch gerissenen Klaus Biesenbach sagten Huch!, und klemmten die Lämmerschwänze ein.

Was man über die „Kunst-Werke“ und ihren Chef Klaus Biesenbach wissen muss, hat Lutz Hachmeister am 23. 8. in der Süddeutschen Zeitung aufgeschrieben: „Nach dem ersten Schrecken über die Heftigkeit der Debatte hatte Kurator Klaus Biesenbach das publizistische Getöse im Vorfeld als PR-Chance begriffen und sich ins Büßergewand gehüllt. ‚Ich möchte, dass die Jugendlichen das nicht unreflektiert sehen als eine Art Bonni-&-Clyde-Hollywood‘, zitiert der Wiener Standard seine volkspädagogisch korrekte Einsicht. Zerknirscht hat er zugegeben, zu spät an die Familien der RAF-Opfer gedacht und geschrieben zu haben, ist jetzt aber eifrig um Kommunikation mit jenen bemüht, die eigentlich in dieser Sache gar nicht kommunizieren wollen … Was am Verhalten der Ausstellungsmacher am meisten verblüfft, ist ihr grenzenloser Opportunismus.“

Biesenbach hat, als Wind von vorn kam, eilig eingestanden, dass es ihm an Takt und Feingefühl mangelt. Für jeden, der mit seiner Person oder seinen „Kunst-Werken“ je in Berührung kam, ist das nichts Neues. Vergeblich wartet man auf das eigentliche Testimonium Biesenbachs in eigener Sache: Dass er sich für den Gegenstand der Ausstellung nicht interessiert, dass es ihm an der nötigen Intelligenz ebenso mangelt wie an Rückgrat, um einen solchen Strauß in Würde auszufechten.

Es mag im Kunstbetrieb ausreichen, eine von Geltungssucht, Intriganz, Blasiertheit und Geldabgriff notdürftig zusammengehaltene Existenz zu sein. Wenn man sich mit Staat und Staatsfeindschaft öffentlich beschäftigt, muss man Substanzielleres zu bieten haben.

Doch auf den Reklameeffekt des schon knapp anderthalb Jahre vor Ausstellungsbeginn angeleierten Geschreis kann Biesenbach nicht verzichten; hier ist ganz billig Ruhm zu erwerben, und 100.000 Euro Fördergeld wollen schließlich auch eingefahren sein. Also zieht sich Biesenbach in dieser politischen Auseinandersetzung auf die Kunst zurück – so ist man es von feigen Windhunden des Gewerbes gewöhnt. „Die Kunst muss bei dieser Ausstellung im Mittelpunkt stehen“, heißt es jetzt, um den „Niederschlag von Terror in der Kunst“ soll es nun gehen, um eine „Fallstudie am Beispiel der RAF“. So geht das: Wer selbst ein anpassungseifriger Schleimlappen ist, hat dem anpassungseifrigen Schleimlappen Guido Westerwelle eben nichts entgegenzusetzen als dessen Spiegelbild.

Die RAF, ein tief evangelischer deutscher Verein, hatte viel mit den Unangenehmsten ihrer Gegner gemein. Wie später Richard von Weizsäcker predigte die RAF: Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht der Mensch. Analog ist die neue Position der Berliner „Kunst-Werke“ zu verstehen: Im Mittelpunkt dieser Ausstellung müssen die „Kunst-Werke“ stehen, in deren Mittelpunkt wiederum Klaus Biesenbach steht, die gültige Maßeinheit für Aufdringlichkeit und Windmacherei. WIGLAF DROSTE