: Expansion und „Endlichkeit“
Steckt die WAZ-Gruppe mit der Mafia unter einer Decke? Der österreichische Verleger Hans Dichand und Erich Schumann von der Essener WAZ-Gruppe liefern sich eine groteske Schlammschlacht
aus Wien RALF LEONHARD
Hans Dichand ist Herausgeber und zur Hälfte auch Eigentümer des Boulevardblattes Neue Kronenzeitung. Die andere Hälfte gehört der deutschen WAZ-Gruppe, doch mit der verkehrt Dichand nur mehr über seine Anwälte. Das Verhältnis beruht schon seit längerem auf Gegenseitigkeit: Beide Seiten bekübeln sich mit Schmähungen, die so gar nicht in das Bild vom charmanten Wien passen.
Wann der Streit begann, liegt im Dunkeln. Zum offenen Bruch kam es Anfang Februar, als Dichand kurzerhand und gegen den erklärten Willen des WAZ-Seniors Erich Schumann seinen Sohn Christoph als neuen Chefredakteur und Nachfolger in spe präsentierte.
Jetzt legte Dichands zweiter Spross Michael nach und verkündete nach einem Besuch in Kroatien, die WAZ liege am Balkan „mit international gesuchten Verbrechern im Bett“. Und das nicht etwa in einem Boulevardblatt – schließlich gehört auch die zweite Straßenverkaufszeitung Österreichs zum WAZ-Imperium. Sondern in der aktuellen Nummer der Fachzeitschrift Der österreichische Journalist: Die Mafia sei über eine Organisation namens Grupo an der kroatischen WAZ-Beteilungsfirma European Press Holding (EPH) mit 25 Prozent beteiligt, so Dichand jr. Ein Vorwurf, der im Essener Verlagshaus empört zurückgewiesen wurde: „Dieser Angriff ist absurd und ungeheuerlich, wir waren noch nie mit einer derart üblen Verleumdung konfrontiert“, zitiert der heutige Spiegel einen WAZ-Sprecher. Die Beweise ist Dichand bisher schuldig geblieben.
Die Auseinandersetzung zwischen der WAZ und dem 82-jährigen Patriarchen Hans Dichand hat neben der Tatsache, dass hier jemand ungefragt einer der größten Medienmaschinen in den Expansionsdrang grätscht, noch einen ganz profanen Hintergrund: Als Herausgeber und Hauptgeschäftsführer bezieht Dichand monatlich 713.346,21 Euro; in Worten: siebenhundertdreizehntausenddreihundertsechsundvierzigeinundzwanzig! Diese als Vorabgewinn deklarierte Summe ist vertraglich indexgesichert und wurde seit 15 Jahren nicht mehr angepasst. Dichand ist allerdings der Meinung, ihm stünde jetzt eine „Gehaltserhöhung“ um gut 26.000 Euro pro Monat auf glatte 739.390 Euro zu.
Ein Ansinnen, das in Essen auf wenig Verständnis stößt. Sind doch die jährlichen Krone-Gewinne von 70 Millionen Euro auf zuletzt eben noch 28,8 Millionen abgestürzt. Ein alarmierter Erich Schumann sprach von „einer der schlechtverdienendsten Zeitungen unserer Gruppe“. Das, ganz nebenbei, sagt einiges aus über die Rendite der deutschen WAZ-Titel (u. a. WAZ, WR, NRZ, Thüringer Allgemeine, TLZ, OTZ). Die Dichands finden’s derweil kreditschädigend und wollen klagen.
Die WAZ wiederum will gegen den Mafia-Vorwurf vor Gericht ziehen und bemüht sich nach Kräften um die Demontage des Herausgebersohnes und Chefredakteurs. An Christoph Dichand wird nicht nur seine angeblich mangelnde Professionalität kritisiert. Auch seine Beteiligung am Auktionator Dorotheum und dem Internet-Auktionshaus OneTwoSold hält die WAZ für unvereinbar und geschäftsschädigend. Weswegen die Essener den Chefredakteursvertrag des 39-Jährigen noch immer nicht unterschrieben haben. Das spart immerhin einiges: Dichand junior bekommt statt des Chefsalärs von immerhin 21.630 Euro nur sein früheres, geringeres Gehalt ausbezahlt.
Anfang September hatten die WAZ-Geschäftsfüher Bodo Hombach und Lutz Glandt noch versucht, mit den Dichands ins Reine zu kommen. Doch das Treffen im Wiener Grand Hotel endete mit einem Eklat. Hans Dichand hatte sich geweigert, sich WAZ-wunschgemäß schon 2004 ganz aus der Zeitung zurückzuziehen. Er will bis 2007 bleiben.
Erich Schumann, Jahrgang 1930, erinnerte den sturen alten Mann darauf im ORF an seine „Endlichkeit“. Doch Dichand denkt noch lange nicht ans Jenseits. Die WAZ-Anteile würde er „sofort, mit Handkuss und zum Überpreis“ zurückkaufen, wenn die Essener aussteigen wollten. Oder zur Not einfach ein Konkurrenzblatt zur Krone gründen.