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Archiv-Artikel

Die Macht über die Seilbahnen im Flachland

Auch norddeutsche Länderparlamente müssen Seilbahngesetze verabschieden – irregeleitete Bremer Lokalpolitiker schimpfen deshalb über die EU

Von kawe

Bremen taz ■ Alle deutschen Landesparlamente müssen Seilbahngesetze verabschieden – auch die der Flachländer. „Das ist der Gipfel der Absurdität, den hier St. Bürokratius auch ohne Seilbahn erklimmt“, kalauerte der Bremer SPD-Fraktionsvorsitzende Jens Böhrnsen, darob. Und spottete: „Vielleicht haben sich die Eurokraten ja vom Straßennamen Hulsberg täuschen lassen.“ Diese Straße weist wirklich keinerlei Steigung auf.

Der Reflex, unsinnige Bürokratie Brüssel zuzuschreiben, sitzt tief. Aber zwingt die EU wirklich das Bremische Landesparlament, ein „Seilbahngesetz“ zu verabschieden? Wo immer das Klischee von den „Bürokraten“ der EU auftaucht, ist in Bremen der überzeugte Europa-Politiker Hermann Kuhn zur Stelle. Einst Grünen-Abgeordneter der Bürgerschaft, ist er heute Vorsitzender der Bremer Europa-Union. Und in der Tat: Die zitierten Anwürfe kontert Kuhn trocken und knallhart. Vor zehn Jahren, klärt er den Lokalpolitiker Böhrnsen auf, hat der Bundesrat einstimmig für die europaweite Vereinheitlichung der Seilbahn-Vorschriften durch eine EU-Richtlinie votiert. Richtig und sinnvoll, so Kuhn: Urlauber wollen sicher sein, dass bei den Seilbahnen gleich hohe Sicherheitsstandards gelten. Und: die Vereinheitlichung ermöglicht allen europäischen Firmen, ihre Seilbahn-Elemente EU-weit anzubieten. Mit den Landtagen der Bundesländer habe das nichts zu tun.

Warum müssen nun aber alle Bundesländer unabhängig von ihrem Profil eigene Seilbahn-Gesetze haben? Dafür, so korrigiert Kuhn den Bremer SPD-Fraktionsvorsitzenden, kann die EU nichts. Schuld daran ist nur der deutsche Föderalismus: Das Thema Nahverkehr ist Ländersache. Deshalb gibt’s kein Bundesseilbahngesetz. Für eine einheitliche Regelung müssen die 16 Landtage sorgen. Es sei „schlimm“, so Kuhn, dass auch Politiker, „die es besser wissen müssten“, leichtfertig in die „leicht verkäufliche Polemik“ gegen die EU einstimmten. Wenn schon von einem „Gipfel der Absurdität“ gesprochen werde, liege der im Verhältnis des Bundes zu den eifersüchtigen Ländern, die nichts von ihrer Macht abgeben wollen – nicht einmal jene über die Sicherheits-Vorschriften für Seilbahnen, die sie nicht bauen. kawe