: „Schulen brauchen Freiräume“
Bürgerschaftliches Engagement bei der Bildung muss nach Ansicht von Mieke Senftleben gefördert werden. Daher will die FDP-Bildungsexpertin den „Regelungswust“ abbauen
taz: Frau Senftleben, Sie suchen Wege für eine bessere Schule. Wie sieht die aus?
Mieke Senftleben: Sie bringt bessere Ergebnisse hervor. Und um die Qualität zu steigern, muss sich eine Gemeinschaft bilden zwischen Lehrkörper und Eltern. Sie müssen stärker zusammenarbeiten.
Die Berliner Schulen können aus eigener Kraft nicht besser werden?
Nein. Ohne die Mitarbeit von Bürgern, Eltern und Schülern werden sie es nicht schaffen. Bürgerschaftliches Engagement besteht ja nicht nur darin, Geld in Schulen zu stecken, sondern sich mit Ideen und Kreativität am Schulleben zu beteiligen. Das findet an öffentlichen Schulen noch zu wenig statt.
Wälzen Schulen damit nicht ihren Bildungsauftrag ab?
Dass Schulen nicht mehr leisten können, ist kein Vorwurf an die Einrichtungen selbst, sondern letztlich an die bildungspolitisch Verantwortlichen. Über Jahre hinweg ist das Bildungssystem nicht auskömmlich finanziert worden. Zum anderen hat ein Wust an Regelungen und Rechtsvorschriften dazu geführt, dass Schulen in ihrem Handeln beschränkt sind. Worauf der Staat aber Einfluss nehmen muss, wo er auch in der Verantwortung steht, das sind die Rahmenbedingungen für Schulen. Sie brauchen mehr Gestaltungsspielraum.
Das neue Schulgesetz sieht mehr Eigenverantwortung für Schulen vor.
Es lässt nicht genug Freiraum zu. Zum Beispiel in dem Umfang, in dem Schulen ihr Budget erhalten, verwalten und investieren. Schulen haben derzeit gar keinen Anspruch auf ein ausreichendes Budget. Sie sind aber darauf angewiesen, um das Potenzial, insbesondere die Manpower, von Eltern, Vereinen und Betrieben zu erschließen.
Wie hängen Budget und Bürgerengagement zusammen?
Schulen können Teile ihres Budgets in ein so genanntes Private-Public-Partnership-Modell investieren, um beispielweise zu renovieren. Das ist eine Mischfinanzierung aus privaten und staatlichen Geldern. Die Schule hat dabei den Freiraum, ein Konzept zu erarbeiten, an dem sich Sponsoren und Elternförderkreise beteiligen.
Birgt die Kooperation mit Sponsoren nicht die Gefahr, dass der Einfluss auf die pädagogische Arbeit zu groß wird?
Mögliches Engagement seitens der Wirtschaft besteht ja nicht nur darin, dass sie Geld oder Computer spendet. Sie kann sich Schüler in die Betriebe holen oder an Schulen Projekte durchführen. Der kleine Betrieb im Kiez, der sollte ins Schulleben einbezogen werden.
Würde dieses Modell flächendeckend funktionieren? Auch an Schulen in sozialen Brennpunkten?
Es handelt sich um eine Mär, dass Schulen in sozialen Brennpunkten das nicht schaffen könnten. Es gibt zum Beispiel mittelständische Betriebe, die sich gerade dort engagieren. Und selbst wenn es zunächst die „bürgerlichen“ Bezirke sein sollten, in denen sich das Modell durchsetzt: es wird einen Schneeballeffekt geben.
Wie motiviert man Eltern, die wenig Interesse haben?
Voraussetzung für Engagement ist das Verständnis von Bildung als einem hohen Gut, wie es etwa in Finnland selbstverständlich ist. Dieses Bewusstsein muss man fördern, indem man Eltern bereits bei Anmeldungsgesprächen signalisiert, dass die Schule ihren Einsatz nicht nur wünscht, sondern erwartet. INTERVIEW: SUSANNE LANG