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Archiv-Artikel

Viele rosa Einhörner

Linksradikaler Fantasy-Elektro: Krawalla aus Berlin geht mit ihrer Räuberhöhle auf Tour. Künstliche Bärenfelle und Krönchen inklusivevon Christoph Braun

„studieren? igitt! popstar werden? hmm, klar, wie geht denn das?“ Einfaches Rezept: Die Friedrichshainerin macht einfach alles selbstShow mit Kasperletheater- und Bären-Einlage ist das Non-plus-UltraGanz schön selten: Singende Prinzessin im selbst genähten Kostüm

Wie es zu Vinyl-Singles kommen konnte, deren Cover ein rosa Einhorn ziert, das erklärt die Berlinerin Krawalla auf ihrer Räuberhöhle-Seite im Internet so: „es war einmal ein unordentliches mädchen. sie saß in ihrer chaotischen ‘räuberhöhle‘ und wußte nicht viel mit sich anzufangen. arbeiten? nee danke! studieren? igitt! popstar werden? hmm klar, wie geht denn das?“

Inzwischen ist Krawalla mit ihrer Räuberhöhle-Show auf dem Weg zum Popstar. Langsam vielleicht, aber die bekennende Hasserin von Tournee-Pausen-Tagen reist und reist und spielt und spielt. Es half ihr dabei wohl eine Unbekümmertheit, die sie nicht nur zur Musik brachte, wie in der Selbstdarstellung beschrieben. Krawalla hat gar nicht erst Demos verschickt von ihrem Riot-Grrrl-Lo-Fi-Elektro: Sie macht einfach alles selbst.

Auf ihrem eigenen Label sind bisher zwei Räuberhöhle-Alben erschienen. Frauenbonus aus dem vergangenen Jahr wurde inzwischen erweitert um die CD Friends. Einen Vertrieb dafür gibt es nicht; auf der Labelhomepage www.megapeng.net können die Tonträger von jedem, der möchte, einfach bestellt werden. Ebenso wie die CDs weiterer Megapeng-Acts: Bei der Discorevue Minipli 550 spielt Krawalla zum Beispiel Keyboard.

Doch das reicht nicht, wenn man ohne Fremd-Promotion-Power und ohne anderweitige Lohnarbeit überleben möchte. Die logische Konsequenz: Seit den Chicks On Speed hat wohl niemand mehr so konsequent das Do-It-Yourself-Ethos gelebt wie die Friedrichshainerin. Und die Chicks waren und sind immerhin wenigstens zu dritt. Neben der Label-Arbeit, dem Gestalten von CDs und Webseiten, dem Verfassen eines Weblogs betätigt sich Krawalla übrigens auch als Bastlerin. Sie hat sich zum Beispiel ein Kostüm geschneidert, das Superman als Kindertheater-Prinzessin umdeutet. Und wenn sie im September wieder ausgiebig tourt, dann hat sie außerdem ein Kasperletheater dabei. Zum Beginn der Show ist darin ein Bär zu sehen. Er bringt einem Mädchen bei, Popstar zu werden. Mit allem, was dazugehört, Garderobe-Tipps, Fitnesstraining. Das Mädchen beherzigt die Tipps. Später ist dann die echte Krawalla zu sehen mit einer echten Begleitung im Bärenkostüm, und die echte Show beginnt.

Es wird viel getanzt bei einem Räuberhöhle-Konzert. Das reißt einfach mit: Künstliche Bärenfelle zotteln hin und her, das Prinzessinnen-Krönchen wippt auf und ab. Die Tracks klingen dabei nach Erasure ohne Elegie; dafür wurden sie angereichert mit den überkandidelten Ego-Posen des Punk. Deshalb wirkt das alles auch ein bisschen wie Peaches in niedlich. Denn Krawalla spielt auf den großen Markeninstrumenten des schlechten Soundgeschmacks: Farfisa- und Bontempi-Orgeln, Melodicas, Kinder-E-Gitarren und auf dem „Casio Rapman“. Dieser Billig-Synthie aus dem Jahr 1991 verfügt über ein Rädchen, mit dem man „scratchen“ kann. Das klingt dann allerdings eher, als reibe jemand zwei Stückchen Popcorn aneinander. Doch um die Anhängerschaft der Quadrophonie geht es hier nicht.

Mit ihren englischsprachigen Texten hat sich die Räuberhöhle bereits überall in Europa eingerichtet; in Kunst-Institutionen wie dem Londoner Institute Of Contemporary Art, vor allem aber in linken Clubs, Wagenburgen und besetzten Häusern. In ihrem Weblog steigt Krawalla denn auch routiniert ein in die leidige Diskussion: Verteilt Watschen für die „Anti-Imps“ und lässt auch sonst eine dezidiert anti-deutsche Haltung erkennen.

Auf der megapeng-Homepage sucht man allerdings vergebens nach den alten Zeichen linksradikalen Draufseins. Als Art Directorin ihrer selbst präsentiert Krawalla wie schon mit ihrem Bühnenkostüm und ihren CD-Covern ein quietschbuntes Fantasy-Design; eine Art Mattel von unten, eine Michael Ende-Welt ohne jede Onkelhaftigkeit. „alle lieben rosa einhörner, oder nicht?“, fragte Krawalla in einem Weblog-Eintrag, kurz bevor gestern ihre Tour begann. Es geht um das Cover der Single, die während der neuen Tour verkauft werden soll. 200 T-Shirts selber siebdrucken muss Krawalla schließlich auch noch. Doch sie wird belohnt: Natürlich mögen alle rosa Einhörner. Wenn sie singen können, sowieso.

Fr, 3.9., Hamburg, Hafenklang Di, 7.9., Lüneburg, Sonic Fiction Do, 9.9., Flensburg, Senffabrik So, 12.9., Lübeck,

Gegenwind

www.megapeng.net