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Archiv-Artikel

Queerschläger im Urlaub

Nebeneinander liegen lernen: Marco Kreuzpaintners Coming-out-Film „Sommersturm“ erzählt das Drama des jungen Schwulen mit sonnendurchfluteten Bildern – als schickere Variante von „Crazy“

VON SVEN VON REDEN

„Wie schwul ist Deutschland?“, titelte Bild zu Beginn des Sommerlochs. Ausgerechnet den „schwulen Humor“ von „(T)raumschiff Surprise“ führte das Blatt als Beispiel dafür an, dass Schwulsein in Deutschland mittlerweile „cool“ sei. Das schlechte Deutsch ist kein Zufall: „Schwuler Humor“ meint schlicht Schwulenwitze, doch dieser Ausdruck hätte wohl die Aussage des Artikels unterlaufen.

Dabei ist es nicht ganz falsch: Die Schwulenwitze in „(T)raumschiff Surprise“ und „Der Schuh des Manitu“ zeigen wirklich eine gewisse Selbstverständlichkeit im Umgang mit dem Thema. Bully Herbigs Filme machen sich (auch) lustig über die unterdrückte Homoerotik der alten „Star Treck“-Folgen und Winnetou-Filme. Manchmal wirken die Witze gar wie die humoristischen Rückkoppelungen der Film-Dekonstruktionen der Gender-Studies auf das Mainstreamkino. Dass das Publikum nie gelangweilt scheint von der geradezu obsessiven Wiederholung der immer gleichen Pointen über die immer gleichen tuntige Typen, zeigt allerdings, dass man von einer Normalität noch deutlich entfernt ist.

„Ich hatte mich oft darüber geärgert, dass im kommerziellen deutschen Kino immer nur über Schwule gelacht wird, aber nicht mit ihnen“, wird Regisseur Marco Kreuzpaintner im Presseheft zu „Sommersturm“ zitiert. Das klingt seltsam therapeutisch. Worum es Kreuzpaintner in seinem Film geht, wird aber schnell klar: Er will sich der Alternative Schwulenkomödie für den Mainstream oder Problemfilm für die Nische nicht fügen.

„Sommersturm“ hat Humor, ist aber keine Komödie. Kreuzpaintner erzählt den Klassiker aller Dramen: eine Dreiecksgeschichte. Die Jugendlichen Tobi (Robert Stadlober), Achim und Sandra trainieren zusammen im oberbayerischen Ruderclub RSC. Tobi und Achim sind beste Kumpels, Sandra ist mit Achim zusammen. Was Achim nicht weiß: Wenn er mit Tobi zusammen im Bootshaus onaniert, denkt der nicht an seine Traumfrau, sondern an ihn. Beide liegen nebeneinander und sind doch Welten voneinander entfernt. Tobis unterdrücktes Begehren wird bei einem Sommerzeltlager im Bergischen Land auf eine harte Probe gestellt, zumal er dort die Mitglieder des schwulen Ruderclubs Queerschläger aus Berlin kennen lernt. Ein Sommersturm wird zum Katalysator für Tobis Coming-out.

„Sommersturm“ ist ein typischer Film des Münchner Produzententeams Claussen+Wöbke, anspruchsvolle Jugendfilme für ein breiteres Publikum sind so etwas wie ein Markenzeichen der Firma geworden. Der Vergleich mit einem anderen ihrer Filme liegt nahe: Mit seiner Mischung aus Drama, Humor und Botschaft ist „Sommersturm“ so etwas wie die schwule Variante von „Crazy“, Hans-Christian Schmids Erfolg aus dem Jahr 2000, in dem „Sommersturm“-Hauptdarsteller Robert Stadlober einen körperbehinderten Außenseiter spielte. Kreuzpaintners Film wirkt etwas schicker als „Crazy“: Mal erinnert die Ausleuchtung der Bilder an Sophia Coppolas sonnendurchflutetes Debüt „Virgin Suicides“, mal an Wolfgang Tillmans kühle Fotoporträts.

Man hat den Eindruck, der Regisseur wollte seinen Zuschauern keine visuellen Geschmacklosigkeiten oder inhaltlichen Extreme zumuten. Der Bus, mit dem die Jugendlichen zum Zeltlager fahren, scheint aus einem Oldtimer-Museum geborgt zu sein; auf dem Ruderfest spielt eine Kapelle mit schicken Vintage-Gitarren statt ein Alleinunterhalter, der Konservenbeats aus dem Keyboard scheppern lässt; und auf dem Soundtrack schrammelt Indie-Pop, der bestimmt nicht von 16-jährigen Jugendlichen aus einem Dorf in Oberbayern gehört würde. Aber es sind nicht nur die Ausstattung und Musik: Homophobie kommt in „Sommersturm“ nicht als gehärtete Überzeugung vor, sondern ist lediglich Angst vor dem Unbekannten. Der Trainer der Rudermannschaft erweist sich nicht als Schleifer, sondern als netter Tölpel, der überfordert ist von seinen Erziehungsaufgaben. Und natürlich besteht die schwule Rudergruppe nicht nur aus „(T)raumschiff“-Tunten, sondern ist von den Typen her ebenso vielfältig und sympathisch angelegt wie die oberbayerische Heterotruppe.

Alles an „Sommersturm“ ist gut gemacht, gut gemeint, pädagogisch wertvoll – und ein bisschen harmlos. Vielleicht spiegelt der Film gerade deshalb so überzeugend die trotz Rechtschreibreform und Montagsdemos weiterhin gesetzte und gut bürgerliche bundesrepublikanische Wirklichkeit.