Grauen am Morgen

Ungnade vor Recht: Zwei Fälle aus dem Alltag der Beratungsstelle Café Exil

Beispiel 1: Die Serbin N., in der 20. Woche schwanger, reist am 25. Juli 2003 mit gültigem Visum nach Hamburg, um hier lebende Verwandte zu besuchen. Sie selbst war Ende der 90er Jahre freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt. Frau N. bekommt schwere Blutungen und bittet am 29. Juli in der Ausländerbehörde um einen Krankenschein. Da sie das Visum nicht bei sich hat, wird sie festgenommen und in die Polizeikaserne Alsterdorf gebracht. Ein Arzt weist sie Stunden später ins UKE ein. Dort wird sie bis zum 12. August wegen Risikoschwangerschaft behandelt und diese attestiert.

Tage später bittet Frau N. in der Ausländerbehörde erneut um einen Krankenschein. Sie wird an das Sozialamt verwiesen, dort wird ihr – nach telefonischer Rücksprache mit der Ausländerbehörde – der Schein verweigert. Am 22. August bricht sie bei einem erneuten Termin in der Ausländerbehörde mit starken Blutungen zusammen und wird in eine Klinik eingeliefert. Anfang September wird die Stadt vom Verwaltungsgericht per Beschluss verpflichtet, Frau N. einen Krankenschein auszustellen.

Beispiel 2: Herr Z. ist vor elf Jahren aus dem damaligen Jugoslawien geflohen. Seit zwei Jahren ist er wegen schwerer Traumatisierung in psychiatrischer Behandlung. Nach einem zweimonatigen Psychiatrieaufenthalt im Klinikum Nord wird er Ende Januar mit einem Attest entlassen, das ihm „akute Suizidalität“ und „Reiseunfähigkeit“ bescheinigt. Das Verwaltungsgericht stoppt seine drohende Abschiebung und ordnet die Verlängerung seiner Duldung an. In der Ausländerbehörde wird Herrn Z. beschieden, wer „nicht bettlägerig“ ist, sei „reisefähig“.

Nach fünfmonatigen Auseinandersetzungen mit der Ausländerbehörde, einem Nervenzusammenbruch und anschließendem Klinikaufenthalt wird Herr Z. trotz gültiger Duldung im Morgengrauen des 9. Juli abgeschoben – im Schlafanzug, und ohne seine Medikamente mitnehmen zu können. taz