Bremer Hilfe vor Gericht

Dem Bremerhavener AWO-Geschäftsführer Volker Tegeler wird Betrug und Untreue vorgeworfen. Die Bremer Hilfe sei als Kind des Sozialsenators gegründet worden, die Finanzierung wurde mit der Behörde abgesprochen, so die Verteidigungsstrategie

Bremen taz ■ Jahrelang haben sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hingezogen – gestern endlich begann der Prozess gegen den Vorsitzenden und den Geschäftsführer der im letzten Oktober in Konkurs gegangenen „Bremer Hilfe zur Selbsthilfe e.V.“, Volker Tegeler-Doliwa und Klaus Dyck. Er sei froh, meinte Dyck, dass der Prozess endlich beginne – die lange Zeit der Verdächtigungen und Vorwürfe habe ihn doch ganz schön mitgenommen.

16 Punkte lang war die Anklage der Staatsanwaltschaft, die dem Drogenhilfe-Verein rechtswidrige Finanz-Tricksereien vorwirft: In diversen Fällen wurden Personalkosten bei verschiedenen Zuschuss-Gebern doppelt abgerechnet, pikanterweise gleich zwei Mal für die Frau des Chefs, Gabriele Doliwa. Einmal verkaufte die Arbeiterwohlfahrt Bremerhaven – Geschäftsführer Volker Tegeler – eine Druckmaschine an die Bremer Hilfe, finanziert selbstverständlich von der Sozialbehörde. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass diese Druckmaschine an ihrem Bestimmungsort nie gearbeitet hat.

Vermutlich werden Dutzende von Zeugen vor Gericht erscheinen müssen, um die Angaben der Staatsanwaltschaft im Detail zu erörtern. Denn beim ersten Verhandlungstag gestern wurde die Verteidigungsstrategie der beiden Angeklagten deutlich. Volker Tegeler, den Kenner der Drogen-Hilfe-Szene für den Drahtzieher der Bremer Hilfe halten, gab sich ganz unwissend: Mit den Details der Projekte und Projektanträge habe er nichts zu tun gehabt, da er nur ehrenamtlich bei der Bremer Hilfe Vorstand war.

Erkennbar gibt es auch eine zweite Verteidigungsstrategie: Verantwortlich für die Verschachtelungen, so Verteidiger Erich Jöster, sei die Sozialbehörde. Als Tegeler den Verein Bremer Hilfe 1985 gründete, sei das im Auftrag der Sozialbehörde geschehen. Die Behörde wollte ein Instrument für „flexiblere“ Angebote im Drogenhilfe-Bereich haben. Auch Jahre später seien Anträge auf Zuschüsse erst mit der Behörde beraten worden und formell erst gestellt worden, als das grüne Licht für die Bewilligung informell schon da war.

Aber dann muss es 1995 zum großen Krach gekommen sein, als Tegeler mit 400.000 Mark von der „Aktion Sorgenkind“, organisiert über die Arbeiterwohlfahrt-Connections, winkte und dafür die Übertragung der Drogenhilfe im Bremer Westen auf seinen Verein erreichen wollte. Mit Briefen an die SPD-Genossen „liebe Bringfriede“ (Kahrs) und „lieber Hans-Christoph“ (Hoppensack) versuchte Tegeler, an der Behörde vorbei seine Partei-Kontakte spielen zu lassen. Die Fachbehörde kritisierte die undurchschaubare „Verschachtelung“ des Vereins Bremer Hilfe. „Dieser Träger zeigt durch die Art seines Vorgehens, dass er wichtige Voraussetzungen für die Übernahme einer so verantwortungsvollen Aufgabe offensichtlich nicht besitzt“, heißt es in einem Vermerk 1995. Tegeler verwechsle „schöpferische Dynamik mit Rücksichtslosigkeit“.

Geschäftsführer Klaus Dyck deutete vor Gericht an, dass er mit der Leitung der Bremer Hilfe, die zu Hoch-Zeiten über 130 Mitarbeiter hatte, überfordert war. Als er auf die Frage, wieso er bei einem Projekt 33.000 Mark an Spenden eingeplant habe, nicht antworten konnte, sprang Tegeler ein und erläuterte, da habe Dyck wohl eine „kalkulatorische Planung nach dem Prinzip Hoffnung“ vorgenommen. kawe