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Archiv-Artikel

Stadtschloss mit Zimmerservice

Bericht der Kulturstaatsministerin zu Schlossareal hält Vorschläge der Expertenkommission Historische Mitte für „nicht umsetzbar“. Stattdessen soll nichts oder Bettenburg entstehen. Strieder-Verwaltung für „Denkpause“ auf grüner Wiese

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Das Stadtschloss ist 1950 in die Luft geflogen. Ein nun vorliegendes Papier der Arbeitsgruppe „Schlossplatz“ aus dem Hause der Kulturstaatsministerin hat kaum geringere Sprengkraft: Danach ist der geplante Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, wie ihn die Expertenkommission Historische Mitte vorgeschlagen hatte, „nicht umsetzbar“. Den vorläufigen „Abschlussbericht“ hat unter der Leitung von Kulturstaatsministerin Christina Weiss eine Arbeitsgruppe des Bundesbau- und des Bundesfinanzministeriums erstellt.

In dem Bericht, der der taz vorliegt, werden die für das Bauvorhaben gravierenden Konsequenzen damit begründet, dass wegen leerer Kassen von Bund und Land für das Schloss erst einmal keine Realisierungschancen bestehen. Außerdem stellt der Bericht fest, dass die gemachten Nutzungsvorschläge für die öffentlichen Einrichtungen wie Museen und Sammlungen der Humboldt-Universität (HU) nur in „reduzierter Form“ – und damit kaum – untergebracht werden könnten.

Schließlich schlägt die Weiss-Arbeitsgruppe „als Alternative für eine zeitnahe Realisierung“ ein „Modell“ vor: Um nicht bis in alle Ewigkeit auf das Gebäude in der Stadtmitte warten zu müssen, könnte der Schloss-Neubau – geschätzte Kosten: 670 Millionen Euro – erst weitgehend privat finanziert, gebaut und dann rund 30 Jahre lang überwiegend kommerziell genutzt werden – zum Beispiel durch Fünfsternehotels und Büros. Nach und nach soll das Schloss dann für die überwiegend kulturelle Nutzung zurückgekauft werden.

Im April 2002 hatte die Internationale Expertenkommission Historische Mitte den Wiederaufbau des 1950 gesprengten Stadtschlosses samt historischer Fassade empfohlen. Der Bundestag befürwortete dieses Votum sowie das Nutzungskonzept kultureller Institutionen vor Ort. Den jetzt vorliegenden Bericht, der am Dienstag zwischen dem Eigentümer des Areals – dem Bund – und dem Land Berlin beraten wird, war erstellt worden, um Nutzung und Finanzierung einer Rekonstruktion des Stadtschlosses zu prüfen.

Insgesamt stellt das Papier aus dem Kanzleramt der Expertenkommission kein gutes Zeugnis aus. So sei „der angenommene Flächenansatz von rund 80.000 Quadratmeter Nutzfläche“ (für die Sammlungen der HU und der Staatlichen Museen, die Bestände der Staatsbibliothek sowie andere kulturelle und wissenschaftliche Bereiche) innerhalb der „Kubatur des Schlosses nicht erreichbar“. Die Kommission habe also schlecht gerechnet.

Bei dem geplanten Finanzierungskonzept (öffentlich, Spenden und private Anteile) sieht der Bericht ebenfalls „kalkulatorisch nicht belegbare“ Flecken. Sowohl die Annahme, die Investitionen könnten wie vorgesehen erbracht werden, als auch die Vorstellung, dass kommerzielle Bereiche „rentabel“ genutzt werden könnten, seien illusorisch – insbesondere angesichts „der angespannten Haushaltslage des Bundes“. „Der Realisierung des gesamten Projekts“, so das Fazit, „ginge daher eine langjährige Stillstandsphase voraus.“

Um diese zu überbrücken, so die Alternative, könnte das private Hotel-Modell greifen. Dazu sollte der Palast der Republik „baldmöglichst abgerissen werden“ – eine Zwischennutzung bis zum Abriss eingeschlossen.

In einer ersten Stellungnahme hat sich die Senatsbauverwaltung von dem Bericht distanziert. So sei das Papier ohne die Beteiligung des Landes entstanden. Die Idee privater Planung und stufenweiser Ausweitung der kulturellen Nutzung nach 30 Jahren „erscheint wenig realistisch“. Statt kommerzieller Nutzung sei „eine Denkpause“ nötig. Vorerst solle eine Grünfläche auf dem Schlossplatz entstehen.