Ölpreis steigt, Börsen stürzen ab

Nach dem Opec-Beschluss, weniger Öl zu fördern, brachen weltweit die Börsen ein. Nicht einmal der gestern vorgestellte – schon wieder positive – Ifo-Geschäftsklima-Index kam gegen den Trend an. Der Goldpreis steigt auf ein Siebenjahreshoch

von NICK REIMER

Unerwartet kam die Nachricht und entsprechend hektisch reagierten die Märkte: Die Opec-Ankündigung, ab November 900.000 Barrel Öl pro Tag weniger fördern zu wollen, ließ weltweit die Börsen einbrechen, Öl- und Goldpreise dagegen rasant steigen. Gold kostete im europäischen Handel erstmals seit sieben Jahren mehr als über 391,00 Dollar pro Unze. Analysten erklärten daraufhin: Das Edelmetall peile die Marke von 400 Dollar an – eine Hürde, die seit Mai 1996 nicht mehr genommen worden ist.

Allerdings muss man kein Analyst sein, um die Goldnachfrage zu erklären: Weniger gefördertes Öl bedeutet einen höhereren Ölpreis, was wiederum die Produktionskosten verteuert, weshalb das Vertrauen der Anleger in Profit und Rendite sinkt und Geld aus den Aktien abgezogen wird – in die vermeintlich sichere Anlage: Gold.

Tatsächlich waren sich die Marktteilnehmer noch vor der Opec-Sitzung sicher: Keine Änderungen. Schließlich hatten führende Opec-Mitglieder wie Saudi-Arabien, Kuwait und Venezuela deutlich gemacht, dass sie angesichts des aktuellen Preisniveaus keinen Grund für eine Veränderung ihrer Förder- und Exportquoten sähen. Selbst der Rückgang des Ölpreises um 2 Dollar innerhalb der vergangenen beiden Wochen bereitet dem Kartell kaum Sorgen. Opec-Öl kostete da unverändert 24,82 Dollar pro Barrel.

Nach Bekanntgabe der Änderung stieg der Preis für Light Sweet Crude in New York 28,24 Dollar. In London war der Preis für die Nordseesorte Brent um 1,16 Dollar auf 26,68 Dollar nach oben geschossen. Weltweit verloren daraufhin die Aktienindizes: Der DAX gab um über 3 Prozent nach und fiel gegen Abend bis auf 3.285 Punkte – nach 3.450 Punkten noch am Vormittag und über 3.600 Punkten Ende letzter Woche. Besonders stark sanken die Auto-Aktien: BMW um fast 5 Prozent auf 32,55 Euro, DaimlerChrysler um 3,41 Prozent auf 31,15, VW um 3,46 Prozent auf 39,10 Euro. Der Dow Jownes verlor fast 2 Prozent, die Hongkonger Börse über 2.

Gestern beruhigten sich die Börsen wieder. Experten urteilten, die beschlossene Öldrosselung bedeutet noch keine Gefahr für die langsam anziehende Weltkonjunktur. Hans Jäckel, Volkswirt bei der DZ Bank, sagte: „Das ist keine Hiobsbotschaft für die Konjunktur.“ Für Elisabeth Andreae, Analystin bei der Commerzbank, bedeutet erst ein Rohölpreis über 30 Dollar „nachhaltige Konsequenzen für die Konjunktur“.

Davon kann keine Rede sein. Der Opec-Preis lag gestern bei 25,59 Dollar. Dennoch schien die Börse gestern von der Opec-Entscheidung geprägt: Obwohl das Münchner Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) einen neuerlichen Anstieg seines Geschäftsklimaindex für September bekannt gegeben hatte, blieb der DAX bei seinen Verlusten des Vortages. Der Ifo-Geschäftsklimaindex verbesserte sich im September von 90,8 auf 91,9 Punkte – der höchste Wert seit über einem Jahr. Ifo-Konjunkturexperte Gernot Nerb sprach von einem „guten Zeichen“. Der Schönheitsfehler liege aber darin, dass nur die Zukunftsaussichten besser beurteilt würden, nicht die aktuelle Lage. Und damit sind wir wieder beim Krisen-Anlageobjekt Nummer 1: Gold verteuerte sich auf 392,80 Dollar. Richtung 400 also. (mit Reuters)